Nazis planen am 25.06.22 ein Konzert in Moers

Am 25.06. wird wieder eine Veranstaltung in der Moerser Nazi-Kneipe “Lockdown” stattfinden. Hierzu haben wir einige Hintergrundinformationen gesammelt.

    
Vermutlich wird dort bei einem “Balladenabend” Philipp Tschentscher auftreten, der Aufgrund seiner Aktivitäten im Umfeld der östereichischen Nazibande “Objekt 21” bereits eine Haftstrafe wegen NS-Wiederbetätigung und Verstoß gegen das Waffengesetz hinter sich hat. Bei seiner Verurteilung gab er sich zwar noch kleinlaut und kündigte an, ein unpolitisches Leben führen zu wollen, doch bereits kurz nach der Entlassung begann er wieder auf Nazi-Veranstaltungen aufzutreten.
 
Im “Lockdown” kann er zu dieser Geschichte sicherlich ein paar Worte mit dem ehemaligen Besitzer der Kneipe Kevin Giuliani wechseln, welcher ebenfalls nach einer Haftstrafe den Aussteiger mimte, aber nach kurzer Zeit wieder rechte Aktivitäten aufnahm. Aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gilt Giuliani seitdem in Teilen der Szene als Verräter. Mit der sogenannten “Volksgemeinschaft Niederrhein” hat er mittlerweile wieder in Kamp-Lintfort einige Anhänger um sich gescharrt. Vor ein paar Monaten übernahm er das ehemalige “Insider” in der Bankstr. 4, gleich neben dem Ladenlokal der Umzugsfirma, die er mit seiner Frau Lisa betreibt. Unter dem Namen “Lockdown” eröffnete er die Kneipe neu. Aus der Kneipe heraus kam es bereits in der Vergangenheit zu Übergriffen durch betrunkene Nazis.
 
Doch wie bei vielen seiner Projekte dauerte es nicht lange bis Kevin die Puste ausging, mittlerweile wurde die Kneipe von Jasmin Weise aus Tönisvorst übernommen. Weise bewegt sich im Umfeld der Partei “Die Rechte” und nahm zum Beispiel an den verschwörungsideologischen Protesten gegen die Pandemie-Maßnahmen teil. Diese wurden von der rechten Szene gruppenübergreifend besucht, vom Umfeld der Partei “Die Rechte” über die “Volksgemeinschaft Niederrhein” bis hin zu vorgeblich linken Querfrontgruppen.
Im Dezember 2020 war Weise in Duisburg auch an einem organisierten Angriff auf einen antifaschistischen Anreisetreffpunkt beteiligt.
 
An der Organisation des Konzerts beteiligt ist auch Bettina Henger aus Oberhausen. Sie übernahm den Vorverkauf der Tickets über ihre persönliche E-Mail Adresse, nahm die entsprechenden Zahlungen über ihr Sparkassen-Konto entgegen und vermittelte  Übernachtungsmöglichkeiten.
 
Zum einen wollen wir mit diesem Text natürlich vor der konkreten Gefahr warnen, welche von den Besucher*innen des Konzerts ausgeht. Personen, die sich an diesem Tag im Umkreis des Moerser Bahnhofs bewegen, sollten wachsam bleiben, und auch in den entsprechenden Bus- und Bahnlinien besteht höheres Risiko auf Faschos zu treffen. Zum anderen wollen wir aber auch darauf aufmerksam machen, dass Konzerte wie dieses als Vernetzungs- und Rekrutierungsinstrument für die Szene dienen. Wir können bereits am Kreis der Organisator*innen erkennen, dass die unterkühlte Stimmung zwischen der Partei “die Rechte” und der “Volksgemeinschaft Niederrhein” mittlerweile deutlich aufgewärmt zu sein scheint. Unter den Besucher*innen der Kneipe lassen sich auch Personen aus weiteren rechten Zusammenhängen wie Pegida NRW identifizieren. Mit Veranstaltungen wie der am 25.06.22 sollen wohl auch überregional Kontakte geknüpft werden. Das lässt zumindest das freundliche Angebot von Übernachtungsmöglichkeiten vermuten.
 
Am gewählten Veranstaltungsort sehen wir außerdem wie so oft, das Nazis gern auf das Umland größerer Städte ausweichen, da sie sich erhoffen dort weniger Gegenwind zu bekommen. Wir sollten ihnen weder diesen Raum, noch die durch die konspirative Organisation der Veranstaltung erhoffte Sicherheit und Privatsphäre zugestehen. In Moers konnten linke und zivilgesellschaftliche Gruppen immer wieder zeigen, das sich Nazis auch dort keine Ruhe erwarten können. Es bleibt zu hoffen, dass auch das “Lockdown” schon bald zu der langen Liste gescheiterter rechter Projekte in der Region gezählt werden kann und die Nazis sich wieder zuhause besaufen müssen.
 
Rechte Konzerte verhindern, Nazikneipen dicht machen!

Ein paar antifaschistische Gedanken zu Verschwörungserzählungen

[CN: Rassismus, Antisemitismus, Gewalt-Schilderungen v.a. in den Screenshots]

 
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 ist ein massiver Anstieg an Verschwörungserzählungen zu verzeichnen. Erscheinen einige dieser Mythen auf den ersten Blick vielleicht noch plausibel, so erweisen sich die meisten spätestens auf den zweiten Blick als komplett abstrus. Sie schwirren durch Social Media Kanäle, werden in Telegram-Gruppen geteilt und auf Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen weitererzählt. Über diese oft als “Spaziergänge” verharmlosten Aufmärsche wurde schon viel debattiert, geschrieben und veröffentlicht, so etwa die Broschüre “Mobilisierbare Deutsche” von den Genoss*innen aus Münster,  aber auch Texte von uns. In unserem letzten Text haben wir z.B. die Verstrickungen der Duisburger Proteste in die extreme Rechte Szene hervorgehoben. Nun wollen wir darauf eingehen, warum die verschwörungsgläubigen Gruppen und Milieus, die dort entstanden sind, auch dann gefährlich sind, wenn militante und organisierte Neonazis fernbleiben. 
 
Spoiler: wir sind der Meinung, dass die Verbreitung von verschwörungsidologischer Propaganda eingedämmt werden muss. Dies ist sowohl durch antifaschistische Aufklärung möglicher “Zielgruppen” und “Einsteiger*innen” ins verschwörungsgläubige Milieu möglich, als auch durch direkte Aktionen gegen Verbreitungskanäle und -akteur*innen. Wir können z.B. politischen Druck aufbauen, damit Verschwörungsideolog*innen nicht auf Podien, in Talkshows, auf Social Media oder in anderen Medien eine Plattform geboten bekommen, um ihre Inhalte zu verbreiten. 
 
Wie die verschwörungsideologische Szene sich selbst bekämpft: Die “2-Komponenten-Lösung” bedeutet übrigens Chlordioxid und Salzsäure. – Screenshot vom 24.01.2022
Zunächst beschreiben wir, welche Zwecke Verschwörungserzählungen erfüllen und wie sie funktionieren (können). Weiter wollen wir die mörderische Gefahr, die aus ihnen entsteht, aufzeigen und abschließend einen kurzen Blick auf die Duisburger Verschwörungsszene werfen.
 
 
Wer Verschwörungserzählungen verbreitet – und warum.
 
Bei der Frage nach dem Zweck von Verschörungserzählungen ist es wichtig, zwischen den Interessen derjenigen zu unterscheiden, die Verschwörungserzählungen in die Welt setzen und den Interessen derjenigen, die an sie glauben. 
Bei ersteren geht es primär darum, eigene Machtinteressen zu befördern – oder schlichtweg um Geld (nicht zufällig bettelt so ziemlich jeder verschwörungsideologische Kanal um “Spenden” oder “Schenkungen). Auch  Neonazis verbreiten gezielt Verschwörungserzählungen, etwa vom sogenannten “großen Austausch”, bzw. etwas ordinärer, von der “Umvolkung”.
 
Rassismus pur als Verschwörungserzählung – Screenshot vom 26.01.2022
 
Hier zeigt sich, dass faschistische Ideologie selbst zentral durch Verschwörungserzählungen funktioniert und verbreitet wird. Sie dienen der klaren “Feindbestimmung“, einem zentralen Merkmal von Faschismus sowie von Verschwörungserzählungen. Im erwähnten Verschwörungsmärchen der “Umvolkung” z.B. wird behauptet, dass Fluchtbewegungen durch (jüdische) Eliten gesteuert würden, um die weiße und christliche deutsche Bevölkerung durch “fremde” Bevölkerungsgruppen zu ersetzen und somit auszutauschen. So werden Menschen, die aufgrund von Not, Hunger, Krieg, politischer Verfolgung und/oder Klimakatastrophen ihre Heimat verlassen müssen, zu “Migrationswaffen stilisiert, die es mit allen Mitteln abzuwehren gilt. Selbst die Geburt nicht-weißer Kinder wird so zur Bedrohung erklärt und der “Volkstod” wird am Horizont erahnt.
 
Das ist alles Codierung!!1! – Screenshot vom 9.4. 2022
Diese rassistische, absurde und unrealistische Vorstellung forderte schon zahlreiche Opfer. So glaubten beispielsweise die Attentäter in Utøya, Christchurch und Halle an den “großen Austausch” und begründeten mitunter durch diesen ihre mörderischen und rassistischen Terrorattentate.
Hier zeigt sich eine weitere Funktion von Verschwörungserzählungen: die Mobilisierung der Anhänger*innen zu konkreten Taten. Die Verschwörungserzählung von einer “Umvolkung” oder dem „Großen Austausch“ ist leider immer wieder Ausgangspunkt für gewalttätige Übergriffe auf als “fremd” gelesene/markierte Menschen im Alltag. Ein anderes Beispiel: Die Verschwörungserzählung der “Lügenpresse” zieht immer wieder Angriffe auf Pressevertreter*innen und Journalist*innen nach sich. Diese mobilisierende Kraft und politische Macht, die sich dadurch entfalten kann, darf nicht unterschätzt werden. Manche Verschwörungserzählungen halten sich sogar jahrhundertelang, auch wenn sie keinen Funken Wahrheit enthalten. Ein weiteres Beispiel: Seit dem 11. Jahrundert hält sich die Behauptung, Jüd_innen würden für religiöse Rituale christliche Kinder ermorden. Das ist und war immer falsch. Trotzdem entzündeten sich an dem bloßen Verdacht immer wieder Pogrome. Hier zeigt sich: solche Beschuldigungen sind nicht nur gefährlich, sondern regelrecht mörderisch. Gewalt wird durch diese Verschwörungserzählungen nicht nur legitimiert, sondern geradezu eingefordert. (Beispiele aus der Duisburger Gruppe, bis hin zur Ankündigung terroristischer Aktionen, haben wir zum Beispiel als Thread auf Twitter veröffentlicht.)
 
Uralte antisemitische Lügenmärchen von Ritualmorden und Satanismus – Screenshot vom 7.3.2022
Heutzutage erlebt die oben angesprochene antisemitische Erzählung in codierter Form einen massiven Aufschwung in der “QAnon”-Bewegung. Dies geschieht unter dem Schlagwort “Adrenochrom”. Auch der brutale Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wird über diese und ähnliche Verschwörungserzählungen legitimiert. Nicht nur hier zeigt sich, dass Antisemitismus in den meisten Verschwörungserzählungen mit angelegt ist. 
 
“Guten Abend in die Runde – habt ihr schon von den ausgeweideten Kindern gehört?” – Screenshot vom 7.3.2022
 
Neben der Feindbestimmung spielt auch die Zerstörung der bestehenden bürgerlichen Demokratie eine zentrale Rolle. Eine Demokratie ist auf bestimmte Dinge angewiesen: ein gewisses Maß an gemeinsamer Öffentlichkeit, einen minimalen gesellschaftlichen Konsens über Fakten und Wissen sowie auf die politische Teilhabe der Bürger*innen. Das Vertrauen in Politik, Wissenschaft und Medien, und damit in die Demokratie, wird durch Verschwörungserzählungen gezielt zerstört. Dies treibt eine Polarisierung der Gesellschaft voran. Und nicht nur die Debattenkultur wird zerstört, das Verhältnis zur “Wahrheit” selbst wird verändert: Als wahr wird angenommen, was zum Weltbild des eigenen Lagers passt. Als unwahr wird dagegen alles angenommen, was dem feindlich gegenüberstehendem Lager zugerechnet wird und ihm traut man gleichzeitig alles Böse zu.
 
“Ist doch als Fake enttarnt worden. Zuzutrauen wäre es ihm aber dennoch…” – Screenshot vom 3.3.2022
Wahrheit wird dabei kaum mehr mit Fakten gekoppelt, sondern vielmehr mit der eigenen Gruppenzugehörigkeit. In diesem Klima formt sich die Verschwörungsideologie weiter aus, welche wiederum die Polarisierung der Welt, das heißt ihre konkrete Einteilung in “Gut und Böse”, fordert und fördert. Die bösen vermeintlichen Verschwörer*innen des feindlichen Lagers (“Eliten”, Politiker*innen, “die Presse”, “die Pharmalobby” etc.) stehen dann dem guten “Volk” gegenüber. 
 
 
 
Wer an Verschwörungserzählungen glaubt – und warum
 
Kommen wir nun zum Zweck von Verschwörungserzählungen für diejenigen, die an sie glauben. Bei ihnen geht es insbesondere darum, Kontrolle zuerlangen, vor allem in Zeiten besonderer Unsicherheiten – beispielsweise dem Ausbruch einer Pandemie. Verschwörungserzählungen bieten ihnen einfache Wahrheiten in einer komplizierten Welt und geben dadurch Halt. Auch das selbsterhöhende Gefühl, zu einem Kreis der Eingeweihten zu gehören, spielt hier eine Rolle: Menschen, die sich sozial isoliert fühlen, glauben nachweislich eher an Verschwörungserzählungen. Sie finden im verschwörungsideologischen Denken einerseits eine Erklärungen für ihre Isolation und andererseits eine Gemeinschaft im dort voherrschenden simplen Freund-Feind-Schemata.
 
“Man fühlt sich so hilflos. Man möchte helfen . Aber wie ? Die Leute sind nicht mehr erreichbar ( wie Zombies )” – Screenshots vom 7.3.2022
 
Aber wie genau funktionieren Verschwörungserzählungen? Die meisten Verschwörungserzählungen folgen bei allem komplizierten Überbau einem sehr einfachen Plot: 
 
  1. Es gibt eine feindliche Gruppe (SIE), die UNS Böses will. SIE verfolgen ihre Pläne heimlich.  

  1. SIE stecken hinter verschiedenen unaufgeklärten Verbrechen, Katastrophen oder Missgeschicken, die UNS angeblich zugestoßen sind.  
  1. Damit wollen SIE UNS unterdrücken, versklaven oder vernichten, oder unsere höchsten und heiligsten Ziele sabotieren. 
  1. Aus den Punkten zwei und drei lässt sich eine komplettes Bild IHRES Handelns erschließen.
  1. Es wird Zeit, dass WIR uns mit allen Mitteln zu Wehr setzen.

(Quelle: https://scilogs.spektrum.de/)
 
Im letzten Punkt zeigt sich eine der Gefahren, die aus dieser Art zu Denken entstehen.So erzeugen Verschwörungsmythen eine politische Endzeiterwartung und eine Stimmung des “Jetzt oder nie”. Dies wirkt nicht zuletzt mobilisierend und legitimiert so gut wie jedes eingesetze Mittel. 
 
Dass Verschwörungserzählungen immer mit Vernichtungsfantasien einhergehen, scheint im deutschen Kollektivbewusstsein noch nicht angekommen zu sein.
Denn die Gewaltausübung ist, wie oben schon anskizziert, die logische Konsequenz von Verschwörungsideologien. Die Bedrohungen, um die es in der Verschwörung geht, werden immer bedrohlicher und wachsen stetig in ihrem imaginierten Einfluss. Das verschwörungsideologische Denken lässt keine anderen Erklärungen und Denkweisen als diese zu, die in dem verschwörungsideologischen Millieu vorhanden sind. Es entsteht eine Spirale, die das Denken radikalisiert. Irgendwann wird die Bedrohung als so real imaginiert, dass jedes Mittel recht wird, um gegen das ultimative Böse vorzugehen. Die Gegner*innen, also die nicht Verschwörungsgläubigen, werden dämonisiert. Auch dies legitimiert den Einsatz von Gewalt. Die Außenwelt hat sich im Denken der Verschwörungsgläunigen gegen sie verschworen und demnach gilt es diese Außenwelt zu vernichten.
 
 
Blick auf Duisburg
 
Wenn wir nun auf die Szene hier in Duisburg blicken, sehen wir zwar eine stark geschrumpfte Gruppe von Verschwörungsgläubigen auf den Straßen – aber eine radikalisierte und eingeschworene Gemeinschaft.
 
“Fühlt euch alle beklatscht und wert geschätzt!” – Screenshot vom 25.01.2022
Diese zeigt sich unter anderem im Netz und ist inzwischen in ihrer Gesamtheit als extrem rechts und teilweise gewaltbereit einzustufen. Vernetzungen nach Oberhausen, Essen, Krefeld, Düsseldorf und in andere Städte sind etabliert und die Radikalisierung in den Gruppen verlief teilweise erschreckend schnell. Die dort etablierten Verschwörungserzählungen und -ideologien sind gefährlich, menschenfeindlich und antisemitisch. Und das unabhängig von den bekannten Neonazis, Faschist*innen und Rassist*innen, die sich nichtsdestotrotz immernoch gelegentlich dort blicken lassen.
 
Volksverhetzende antisemitische Äußerungen im Chat – Screenshot vom 24.02.2022
Um den politischen Umgang mit der Corona-Krise geht es inzwischen den wenigsten, wie wir vor einiger Zeit schon auf Twitter dokumentiert haben. Momentan geht es viel um den Krieg in der Ukraine: Angeblich befreie Putin die Ukraine vom “Deep State”. Oder wie ein Chatteilnehmer der Telegram Gruppe von “Duisburg vereint für die Freiheit” es freudig ausdrückt: “Putin jagt das Demokratengesindel”. Der Einmarsch in der Ukraine wird als Beginn einer “Europa-Tour” verharmlost.
 
“Ist doch nett diese Europa-Tour” – Screenshot vom 1.3.2022
 
Immer mehr geben inzwischen auch offen zu, was viele Beobachter*innen längst wussten: es ging ihnen von Anfang an “ums große Ganze”, gegen die “NWO” (eine antisemitische Verschwörungserzählung) und gegen die pluralistische Gesellschaft  als Ganzes. Darüber hinaus werden auch neue Themen gesucht, um den Bewegungsmoment aufrecht zu halten. Was sich dort herausgebildet hat und sich weiter formiert, unterscheidet sich kaum noch von “Pegida NRW”. 
 
 
Angesichts dieser Entwicklung ist es frustrierend und erschreckend, wie wenig Widerspruch es aus der Duisburger Zivilgesellschaft gab und leider immer noch gibt. 
Diese müsste sich zu einer Gesellschaft der Vielen bekennen und dem verbreiteten Rassismus, Antisemitismus und der Wissenschafts- und Demokratiefeindlichkeit eine Absage erteilen. Aber leider müssen wir anscheinend, wie so oft, alles selber machen. Doch auch die radikale Linke tut sich teilweise schwer, klar Stellung zu beziehen. Sei es, weil teilweise selbst antisemitische und verschwörungsgläubige Denkmuster geteilt werden, sei es weil wenig Interesse daran besteht, eine “bürgerliche Demokratie” zu verteidigen.
 
Doch wir müssen uns klar machen, dass es bei den Kampf gegen Verschwörungserzählungen nicht um das Bewahren eines Status Quo geht. Verschwörungsideologie steht einer befreiten Gesellschaft und unseren Utopien von Solidarität und Emanzipation nicht nur im Weg, sondern diametral entgegen. Als Antifaschist*innen und emanzipatorische Linke sehen wir uns deshalb mit einer doppelten Aufgabe konfrontiert: Wir müssen die menschenfeindliche Ideologie bekämpfen sowie das menschenfeindliche System, in dem sie ihren Ursprung hat. Unser antifaschistischer Abwehrkampf gegen Corona-Leugner*innen und Impfverweiger*innen muss Teil des Kampfes um eine solidarische, antiautoritäre und egalitäre Perspektive sein. Packen wir es an!
 
Antifa bleibt Recherche – und Handarbeit!
 
 
 
 

Redebeitrag: Gegen eure Querfront!

Folgenden Redebeitrag haben wir gehalten auf den Kundgebungen gegen den rechtsoffenen “Querdenken”-Ableger “Duisburg GemEINSam stark” bzw. “Duisburg vereint für die Freiheit”. Wir danken den Genoss*innen von eklat ms, dass wir ihre Rede aus Münster als Vorlage verwenden durften.
 
“Wir sind alle eins” – das ist schon seit Anfang der Corona-Proteste ein zentrales Motto der verschwörungsideologischen sogenannten Schwurbler*innen. Diese Losung beschreibt fast schon umfassend den Zusammenschluss aus auf den ersten Blick fast unvereinbaren politischen Spektren und sozialen Milieus, die uns hier seit Wochen jeden Nerv rauben. Hippiesque Lebenskünstler*innen und nach Liebe suchende Duisburger Kleinfamilien reichen im imaginierten Widerstand extrem rechten Parteimitgliedern und hitlergrußzeigenden Nazis die Hand. Dies ist die reale Zuspitzung der Gegensätze, die sich auf den Demos der Corona-Leugner*innen zeigen: hier laufen Menschen, die die Welt mit der Kraft der Liebe heilen wollen, neben Menschen, die ihre Vernichtungsphantasien klar und offen artikulieren.
 
Es wächst zusammen, was auf den ersten Blick unpassend aussieht, aber doch gut zusammen passt.
 
Auffällig sind hier nicht nur die Vielzahl an Verschwörungserzählungen, sondern auch der implizite und explizite Antisemitismus der sowohl auf den Demos als auch in den Telegramgruppen der Corona-Leugner*innen immer wieder zur Schau gestellt wird. 
 
Die Mischung der Menschen die hier wöchentlich zusammenkommt stellt eine Querfront da, die widersprüchlich und absurd scheint. Man könnte fast meinen die Welt stehe Kopf. Aber wer die Querdenken-Bewegung einfach als dumm abtut, macht es sich zu leicht und unterschätzt nicht zuletzt auf fatale Weise das mörderische Potenzial, was sich in ihr verbirgt. Außerdem gibt es keinen Zusammenhang von Intelligenz und dem Zuspruch zu dieser Bewegung.
 
Sie erscheinen aburd, doch die Ideologie ist gefährlich
 
Denoch ist es sicher kein Zufall, dass Esoteriker*innen und Waldorf Anthroposoph*innen sich mit Reichsbürger*innen und Neofaschist*innen zusammentun, um gegen eine vermeintliche Corona-Diktatur zu kämpfen. Denn das gemeinsame Weltbild zeichnet sich unter anderem durch Wissenschaftsfeindlichkeit, durch Vorstellungen natürlicher Reinheit und mystisch-irrationalem Denken aus. Dabei ist es kein weiter Weg von einer vermeintlichen natürlichen Reinheit des Körpers zu der antisemitischen und rassistischen Idee einer homogenen Volksgemeinschaft. Die gefühlte Wahrheit von Fake News rechter Medien geht Hand in Hand mit der gefühlten Wirksamkeit von Homöopathie und esoterischer Rituale. Für beide Phänomene gilt: Komplexe Zusammenhänge, Ungewissheiten und Überforderung wird mit einfachen Wahrheiten und Lösungen begegnet.
 
Verschwörungsideologie und Antisemitismus sind die logische Konsequenz dieses Weltbildes, in dem abstrakte Prozesse nicht mehr begriffen und Widersprüche nicht ausgehalten werden können. Weiter werden Unglücke und Katastrophen nicht als solche begriffen, sondern einzelne Personen oder Gruppen werden dafür verantwortlich gemacht. Man selbst fühlt sich als Opfer böser Machenschaften – und weil man sich selbst als Opfer fühlt, wird jedes Mittel zur Verteidigung legitimiert. Das mörderische Potenzial, was sich hier verbirgt, hatte seinen bisherigen Höhepunkt in dem Mord an Alexander W. aus Idar-Oberstein. Er wurde ermordet, weil er einen Mann dazu aufforderte, eine Maske zu tragen. In ganz Deutschland häufen sich Berichte von Angriffen auf Menschen, die die Corona-Schutzmaßnahmen durchsetzen möchten oder müssen.
 
N icht A n Z wangsimpfung I interessiert
Aber war eine solche Eskalation durch die Corona-Leugner*innen nicht vorhersehbar? Langzeitstudien verweisen schon seit Jahren auf einen relativ hohen Anteil antisemitischer Weltbilder in der Bevölkerung. Und vor dem Gewalt- und dem Gefahrenpotenzial von sogenannten Querdenker*innen haben wir als Antifaschist*innen von Anfang an gewarnt. Dass Verschwörungserzählungen immer mit Vernichtungsfantasien einhergehen, scheint immer noch nicht im deutschen Kollektivbewusstsein angekommen zu sein. Aber wie kann es eigentlich sein, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Menschen massenhaft solche Weltbilder entwickeln? Wie kommt es, dass tausende Menschen für eine individuelle Freiheit auf die Straße gehen, die darin besteht, das Wohlergehen aller anderen zu ignorieren?
 
Das Freiheitsverständnis von vermeintlichen Querdenker*innen beinhaltet gerade nicht die Erkenntnis, dass eine Gesellschaft nur funktionieren kann, wenn sich jede*r einzelne von uns ein gewisses Maß an Verantwortung zuschreibt und wir als Einzelne auch für alle anderen Mitglieder der Gesellschaft Sorge tragen. Der Kapitalismus als System ist mit ein Grund für dieses egoistische und unsoziale Verständnis von Freiheit. Der Kapitalismus ist eine Ursache für die Überforderung und Vereinzelung in dieser Gesellschaft. Denn nicht Kooperation und Solidarität, sondern Konkurrenz und Individualismus stehen hier an der Tagesordnung. Individuelle Selbstverwirklichung wird gepredigt, bleibt aber für die meisten unerfüllbar. Profite werden über die Bedürfnisse aller Menschen gestellt. 
 
Und selbst in einer Pandemie handelt dieser Staat nicht nach menschlich-solidarischen, sondern nach ökonomischen Beweggründen. Menschenleben werden gegen die Profite des nationalen Kapitals abgewogen. Der Lockdown umfasste strikte und weitgreifende Regelungen für die Gestaltung des Privaten, während Arbeitsplätze als Infektionshotspots schlichtweg ignoriert wurden. Impfstoff-Patente werden aufrecht erhalten, um die Gewinne von einzelnen zu schützen, während der Virus sich verbreitet, mutiert und die Impfwirkung zunehmend abschwächt. 
 
Als Antifaschist*innen und emanzipatorische Linke sehen wir uns deshalb mit einer doppelten Aufgabe konfrontiert: Wir müssen die menschenfeindlichen Proteste auf der Straße bekämpfen sowie das menschenfeindliche System, in dem sie ihren Ursprung haben. Unser antifaschistischer Abwehrkampf gegen Corona-Leugner*innen und Impfverweiger*innen muss Teil des Kampfes um eine solidarische, antiautoritäre und egalitäre Perspektive sein. Für eine emanzipatorische Gesellschaft, in der niemand Angst vor Armut, Ausbeutung und Diskriminierung haben muss!
Für einen solidarischen Weg aus der Krise!

Zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Den heutigen Tag, den internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, nehmen wir zum Anlass, um erneut zu erinnern und zu gedenken:
Der 27. Januar wurde nicht zufällig von den Vereinten Nationen zum Gedenktag gewählt. Er markiert das Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die rote Armee am 27. Januar 1945. Auschwitz wird häufig als Synonym für das KZ-Lagersystem verwendet, das aus über 1.000 Konzentrationslagern und -außenstellen bestand. (Fußnote: Auschwitz ist der deutsche Name für einen ehemaligen polnischen Grenzort zwischen Polen und Deutschland, Oświęcim. Auschwitz war der Standort dreier Konzentrationslager, Auschwitz I (Stammlager), Auschwitz II (Birkenau) und Auschwitz III (Monowitz).) Der Spruch “Dass Auschwitz sich nicht wiederhole” ist vielen ein Begriff, ebenso wie das viel beschworene “Nie wieder”. Wenn über Auschwitz gesprochen wird, wird immer auch darüber gesprochen, was alles in dem Wort mitschwingt. Der Begriff Auschwitz kann Bilder von der Selektion an der Rampe in Auschwitz-Birkenau hervorrufen, von gesprengten Gaskammern, von befreiten Kindern am Lagerzaun, von Schuh-, Koffer- und Brillenbergen oder auch von dem Lagertor des Stammlagers “Arbeit macht frei”. 
 
 
Warum ist dieses Datum heute noch von Bedeutung?
 
Die Befreiung des Konzentrationslagers (KZ) Auschwitz-Birkenau hatte für die Inhaftierten und die im Nationalsozialismus Verfolgten, welche in den Vernichtungslagern ermordet werden sollten, natürlich eine enorme Bedetung.
Heute kommt der Befreiung, im Kontext des nationalsozialistischen Verbrecherstaates, weiterhin eine hohe symbolische Bedeutung  zu. Denn nicht zuletzt durch die KZs in Auschwitz wurde die logische Konsequenz der faschistichen und menschenverachtetenden Ideologie der Nazis sichtbar: Über 13 Millionen Menschen wurden in systematischer Weise von Nazi-Deutschland verschleppt, versklavt und auf teilweise unvorstellbare Art und Weise misshandelt und umgebracht. Unter ihnen waren vor allem Jüd:innen, Sinti*zze und Rom*nja, sowjetische Kriegsgefangene, Pol*innen, Menschen mit Behinderung, Kommunist*innen, Homosexuelle und unzählige Andere. Viele der Menschen wurden in KZs deportiert und dort systematisch und geplant ermordet. Allein in Auschwitz wurden etwa 1,1 Millionen Menschen getötet. Millionen Menschen, deren einziges Vergehen es war, nicht dem gewünschten Bild eines sogenannten “gesunden Volkskörpers” zu entsprechen. Millionen Menschen, deren Leben als “lebensunwert” betrachtet wurde. 
 
 
Das Unbegreifliche bleibt unbegreiflich
 
Das Wissen um die Ausmaße und die Bedeutung dieser Verbrechen darf nicht vergessen werden. Und gleichzeitig führt uns Auschwitz, und damit die gesamte Shoah, an die Grenzen des Sag- und Denkbaren. Wir finden keine Worte dafür. Zumindest keine Worte, die es tatsächlich auf den Punkt bringen würden
“Auschwitz bis ins Letzte erfahren haben die Umgekommenen, die von dieser Erfahrung nicht mehr sprechen können. Diese Auschwitz-Erfahrung verschließt sich den Überlebenden. Die Davongekommenen, die Überlebenden der Vernichtung, erfuhren Auschwitz auch in einer unvorstellbaren Totalität, an der das Vorstellungsvermögen der Außenstehenden, zumal der Nachgeborerenen, fast genauso scheitern muß [sic!]. Und es ist die Erfahrung der Überlebenden in ihrem Überleben, daß [sic!] auch ihre Worte dem, der es nicht selbst erlitt, kaum etwas begreifbar machen können von dem, was sie überlebten.” (Matthias Heyl). Wir werden mit Auschwitz nicht fertig, wir können all das wofür Auschwitz steht nicht “bewältigen”. Wir müssen zugeben, dass uns all das überwältigt und immer weiter überwältigen wird.
Primo Levi, ein Auschwitzüberlebender, schreibt zu den ersten Berichten über die nationalsozialistische Vernichtungslager: “Sie ließen eine Massenvernichtung von einem derartigen Ausmaß, von einer so unvorstellbaren Grausamkeit, mit so verworrenen Motivationen deutlich werden, daß die Öffentlichkeit, gerade wegen ihrer Ungeheuerlichkeit, dazu neigte, sie nicht zu glauben.”
 
 
Doch was hat das mit uns zu tun?
 
All das hat mehr mit uns zu tun, als uns lieb ist. Denn die sogenannte “Stunde Null”, sprich der Zusammenbruch und die Vernichtung der NS-Ideologie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, hat nie stattgefunden. Schon früh nach dem Ende des Krieges wurden erste Stimmen laut, die Aufarbeitung der Naziverbrechen sowie die juristische Verfolgung von Täter*innen einzustellen. Man müsse schließlich in die Zukunft blicken. “Davon haben wir nichts gewusst!” war eine gängige Antwort auf die Frage, was die Menschen über die Verfolgung und Ermordung der europäischen Jüd*innen im NS gewusst haben. Hier wird deutlich, dass nicht von “ich”, sondern vom kollektiven “wir” gesprochen wird. Das “davon” lässt durchblicken, dass ganz genau gewusst wird, wovon man nichts gewusst habe. Aber wovon will man nichts gewusst haben? Von der Ermordungen in den Vernichtungslagern, dem Massensterben in den Ghettos und Arbeitslagern, den öffentlich stattgefundenen Deportationen oder dem Gesamtausmaß der Verfolgung und Vernichtung? 
Obwohl geleugnet wird, davon nichts gewusst zu haben, wird selten geleugnet, nichts gehört oder geahnt zu haben. Wie könnte auch geleugnet werden nicht mitzubekommen, wie Teile der Bevölkerung verschleppt und ihr Hab und Gut an die übrig gebliebenen verscherbelt werden? 
 
Deutlich wird diese Haltung auch daran, dass die Bundesrepublik teilweise erst Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges Opfer der NS-Verbrechen auch als solche anerkannte. Zu viele Überlebende starben nach dem Krieg ohne jede Form der Anerkennung des ihnen zugefügten Leids und zu viele Angehörige der Opfer wurden von der Bundesrepublik nicht ernst genommen. Die aktuell letzte Opfergruppe, die der sogenannten “Asozialen und Berufsverbrecher”, wurde vom Bundestag erst im Jahr 2019 anerkannt.
 
 
Hat Deutschland aus den Fehlern der Nazizeit nicht Lehren gezogen?
 
Die selben Menschen die Auschwitz ermöglichten, haben nach dem Krieg die Behörden und den Verwaltungsapparat organisiert. Ranghohen Kriegsverbrecher*innen und Nazigrößen ermöglichte dies phänomenale Karrieren in der Bundesrepublik. Der Aufbau von Verfassungsschutzbehörden (VS), Polizei und Bundeswehr durch Nazis in der Bundesrepublik ist bis heute nicht in vollem Umfang aufgearbeitet. Hieraus ergaben und ergeben sich weitreichende Folgen von der erwähnten Nichtanerkennung von Opfern des NS bis hin zur strukturellen Ausrichtung von Behörden bis in die heutige Zeit.
Dies zeigte sich beispielsweise 2019 als dem VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, seitens der Finanzämter der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Mit der Folge, dass die Vereinigung sich nicht mehr hätte finanzieren können. Dies fußte auf der Einschätzung des bayerischen VS, der den VVN-BdA als linksradikal und verfassungsfeindlich einstufte. Diese Einschätzung wurde  von den Finanzämter unkritisch übernommen.
Erwähnt seien weiter die Verstrickungen des VS mit dem NSU-Komplex. So sind beispielsweise die Untersuchungsakten zum NSU Komplex von Behördenseite für 120 Jahre gesperrt worden – Kanzlerin Merkels Versprechen der vollständigen Aufklärung wird somit nicht eingelöst werden.
 
Doch nicht nur Behörden, ebenso die Gesellschaft der Bundesrepublik selbst weist Kontinuitäten aus der Nazizeit auf: Im Rahmen der sog. “Wehrmachtsausstellung” der 90er und frühen 2000er Jahre regte sich heftiger Protest aus der deutschen Zivilbevölkerung. Diese wollte den Mythos einer “sauberen Wehrmacht”, die sich nicht an deutschen Kriegsverbrechen beteiligte aufrechterhalten – obwohl diese These wissenschaftlich eindeutig widerlegt ist. Hier ist festzuahlten, dass die Mitläufer*innen und die Täter*innen im NS immer einen Handlungsspielraum hatten, den sie genutzt oder geleugnet haben. “Es zieht einen ebenso unüberbrückbaren allgegenwärtigen Stacheldraht zwischen dem Lagerinneren und -äußeren, zwischen Täter*innen und Mitläufer*innen auf der einen und den Opfern auf der anderen Seite. Es gilt festzuhalten: die Opfer hatten keien Wahl, wo sie sich wiederfanden, die Täter*innen und Mitläufer*innen wohl. Sie hätten die Seite wechseln können, immerhin.” (Matthias Heyl). Die Beteiligung der normalen Bevölkerung im Nationalsozialismus wurde lange Zeit nicht zur Kenntnis genommen. Ebensowenig wie die Tatsache, dass die Täter*innen gewöhnliche, durchschnittliche Deutsche ihrer Zeit waren,  Menschen, die dazu in der Lage waren ihr Handeln zu überdenken. 
 
 
Und nun?
 
Erinnern heißt kämpfen – dies darf für uns keine Floskel sein. In einer Gesellschaft, die das Erinnern an Naziverbrechen schon immer gerne hinter sich gelassen hätte, müssen wir konsequent auf die Kontinuitäten aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart hinweisen, diese benennen und bekämpfen. Gleichsam wollen wir den Opfern gedenken und dazu beitragen, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Die Nazis haben nämlich versucht jegliche Erinnerung an die Ermordeten und Verfolgten auszulöschen. Dafür haben sie die Vernichtungslager der “Aktion Reinhard” abgerissen, das Gelände verändert, Hügel aufgeschoben und Bäume gepflanzt. Sie haben Akten vernichtet und sich ins Schweigen zurückgezogen. Trotzdem ist es ihnen nicht gelungen, ihre unfassbaren Taten zu vertuschen und all ihre Opfer zu Vergessenen zu machen. 
Wir wollen die Verbrechen im Nationalsozialismus nicht damit abhaken, dass wir uns einmal im Jahr öffentlich hinstellen und gedenken. Wir wollen auf die Geschichten und Leben der Betroffenen und Ermordeten verweisen, auf Kontinuitäten hinweisen und auch die Täter*innen und Mitläufer*innen in den Blick nehmen. 
 
 
“Wer gegen die Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen!”
Esther Bejarano, Antifaschistin und Auschwitz-Überlebende.

Extrem rechte Einflüsse bei Corona-Protesten in Duisburg

Die wöchentlichen Proteste, die oft als “Spaziergänge” verharmlost werden, ziehen seit Wochen montags durch die Straßen deutscher Innenstädte. Wie auch andernorts stützen sie sich auch in Duisburg stark auf extrem rechte Strukturen. Das heißt sie werden von Akteur*innen der extremen Rechten mit organisiert, beworben, besucht und radikalisiert. Die Mehrheit der Teilnehmenden in Duisburg gibt sich nach außen hin durchaus Mühe, einen rechtsradikalen Eindruck zu vermeiden. Jedoch sind diese “Distanzierungen” oftmals lediglich oberflächliche Kosmetik, die den antisemitischen und NS-verherrlichenden Unterbau kaschieren soll. Dass dieser nicht zu leugnen ist, werden wir im folgenden Artikel deutlich machen. 
 
 
Aufbau und Struktur der Corona-Proteste
 
Die Duisburger Montags”spaziergänge” haben seit Anfang Dezember massiv an Zulauf gewonnen. Koordiniert und beworben wurden sie zu Beginn vor allem in der Telegram-Gruppe “Wir stehen auf /DU”. Diese Gruppe gehört zu den, laut Eigenaussage, insgesamt über 170 Telegram-Gruppen, die vom Dinslakener Querdenker Stefan Brackmann administriert werden. Brackmann ist prominenter Querdenker der ersten Stunde, Parteigründer der Partei “Die Föderalen”, Anmelder einer “permanenten Demo ab 01.01.2021 in ganz Deutschland, bei sonstiger Anwendung von §20 Absatz 4 des Grundgesetzes” und sieht sich seitdem “im Widerstand”. Weiter waren im Orgateam ein gewisser “Marko” und Dennis Straub, der als Security und  Kontrolleur bei Abellio arbeitet, sich selbst gerne “Der Entsorger” nennt und die Telegram-Gruppe “Duisburg vereint für die Freiheit” und die Facebook-Seite “Gemeinsam für die Freiheit Duisburg” betreibt. Nachdem öffentlich bekannt wurde, dass besagte Facebook-Seite vorher “Duigida” hieß und Straub schon seit Jahren als rassistischer Agitator bekannt ist (Nachzulesen z.B. hier), erfolgte sein Ausschluss aus dem Orga-Team. In der Hauptgruppe “Wir stehen auf /DU” wird sich seitdem Mühe gegeben, Äußerungen von offenem Rassismus, Antisemitismus und Reichsbürger-Ideologie zu unterbinden. Die Ansichten bleiben bei den meisten in der Gruppe und im Orga-Team trotzdem weiterhin vertreten.
 
Als weitere Unterstützer*innen von Brackmann ist die Duisburger Immobilienmaklerin und Verschwörungsideologin Manuela Ceresa zu benennen, die immer wieder als Rednerin und Moderatorin fungiert. Auch Dirk Magnutzki, der mehrere Verschwörungsideologische Telegram-Kanäle betreibt, tritt immer wieder als Redner auf. Die Bundesvorsitzende der Partei “Die Föderalen”, Maren Zaidan, unterstützt v.a. durch die Administrierung der TG-Gruppe. Dort wird restriktiv moderiert, um für das bürgerliche Spektrum attraktiv zu bleiben und neue Mitglieder nicht durch “fortgeschrittene” Verschwörungserzählungen abzuschrecken. Dies ist eine taktische Erwägung und liegt nicht daran, dass man diese Ideologien ablehnen würde. So wird etwa im automatisierten Begrüßungstext der TG-Gruppe extra darauf hingewiesen, dass “spätere Möglichkeiten, wie Friedensvertrag/VV/Souveränität” nicht diskutiert werden sollen. Hier zeigt sich klares Reichsbürger*innen-Vokabular. 
Weiter zeigte sich diese Ideologie beispielsweise bei der Kundgebung am 09. Dezember 2021. Dort nennt der Organisator Stefan Brackmann die extrem rechten „Freien Sachsen“ als Vorbild und Organisator “Marko” benutzt antisemitische Codes und verbreitet haarsträubende Falschinformationen bezüglich der Covid-19 Pandemie
 
In der abgespaltenen Gruppe rund um Dennis Straub und seiner Clique lässt sich dieser Kurs noch klarer erkennen: Dort findet sich offener Rassismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus, Reichsbürger*innenideologie, Nazi-Vokabular (“Dreckige Volksverräter”) sowie eine klare Gewaltaffinität und Gewaltaufrufe. Trotz des “Ausschlusses” sind diese Leute weiterhin auf den Demos vertreten. Der “Ausschluss” fungierte primär als PR Aktion, ohne tatsächliche Konsequenzen nachzuziehen. So moderiert Straub zum Beispiel auch nach dem “Ausschluss” mit eigenem Megafon neben Brackmann die Auftaktkundgebungen und spielt während der Demonstrationen den Anheizer.
Aus dem selben Spektrum werden in mehreren Duisburger Stadtteilen unangemeldete “Spaziergänge” organisiert. Diese werden von der Polizei geduldet und scheinen gerade für Leute mit mehr Bereitschaft zu “widerständigen” Aktionen ein wichtiges Vernetzungsinstrument zu sein.
 
 
Extrem rechte Einflüsse und Stichwortgeber*innen 
 
Die unzähligen Aussagen, Links und Weiterleitungen in den Telegramgruppen wurden u.a. von den Ruhrbaronen bereits ausführlich dargelegt. Deshalb lassen wir Attila Hildman, Busfahrer Thomas Brauer, Tim Keller, AktivistMann, Lukreta, Q-Anon, Trump und all die anderen digitalen Stichwortgeber*innen mal rechts liegen und schauen uns die Demos vor Ort etwas genauer an. 
 
Auf den vermeintlich harmlosen “Spaziergängen” tummeln sich nämlich militante Neonazis, beispielsweise aus dem Umfeld von PegidaNRW und der Partei Die Rechte. Sie unterstützden die Demonstrationen und bedrohen dabei Journalist*innen und politische Gegner*innen. Schon bei der, damals noch stationären, Kundgebung am 9. Dezember waren nicht nur die bekannte Duisburger Nazi-Aktivistin Andrea Streyer anwesend. Begleitet wurde sie beispielsweise von einer weiteren Person, die schon mehrfach auf Aufmärschen der Partei “Die Rechte” gesehen wurde. Auch die Redebeiträge der Kundgebung hatten es in sich. Es kam wiederholt zu NS-Vergleichen und Holcaustrelativierungen, mit Begriffen wie “Plandemie” und “Great Reset” wurden antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen verbreitet und der “Osten” und die “Freien Sachsen” wurden als Vorbilder benannt. 
 
Auf der Demonstration am 13. Dezember verharmloste ein Redner den Holocaust, indem er beispielsweise die Impfkampagne mit den menschenverachtenden Taten des Nationalsozialisten Josef Mengele vergleicht. Auch Streyer und ihre Begleitung waren wieder anwesend. 
 
Am 20. Dezember waren der bekannte rechtspopulistische Blogger Jürgen Hans Grimm von PI-News und der langjährige Pegida-Aktivist und AfD-Kanidat für die Bezirksvertretung Hamborn bei der Kommunalwahl 2020 Markus Spank vor Ort. Außerdem wieder Andrea Streyer mit weiteren bekannten Neonazis. 
Aus dem Orgateam und Dunstkreis von Pegida-NRW nahm auch Kevin Strenzke an den Protesten teil. Am 3. Januar bedrohte dieser gemeinsam mit einem weiteren Mann Journalist*innen. Zudem war auch Markus Spank wieder vor Ort.
Aufgefallen sind weiterhin wiederholt Thomas Eckleder und Marcel Schmuck, Kandidaten der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte sowie weitere Aktivist*innen und Unterstützer*innen, wie Adrian Albrecht und einige weitere. Eckleder und Schmuck provozierten am 10. Januar den Gegenprotest, indem sie ohne Maske quer durch ihn hindurch liefen. 
 
Am 17. Januar wurde die Demonstration von Werner B. live gestreamt. Unter dem Youtube-Kanal “Germandefence24” verbreitet B. seit Jahren Livestreams extrem rechter Demonstrationen, v.a. von Pegida NRW. Auf dem Stream sind zwei Personen zu sehen, die T-Shirts mit der Aufschrift FCK NWO, eine klassische antisemitische Verschwörungstheorie, trugen. Ein Mann, der sich lange mit Werner B. unterhielt und neben ihm herlief, provozierte laut mehreren Zeug*innenaussagen den Gegenprotest mit midnestens drei Hitlergrüßen. Anwesend waren weiter erneut Andrea Streyer und Ralf Panek, der auch die Konfrontation mit der Polizei suchte und von einem Beamten weggestoßen werden musste. Vorausgegangen war, das ein Teilnehmer wegen fehlender Maske mit der Polizei aneinander geriet und anschließend in Gewahrsam genommen wurde. Während von der Orga rund um Brackmann, die oft ihr gutes Verhältnis zur Duisburger Polizei betont, versucht wurde zu deeskalieren und die Demo schnell weiterlaufen zu lassen, peitschten Straub und seine Entourage die Menge auf. 
 
 
Beteiligung der AfD 
 
Auch die AfD lässt sich bei den montaglichen Protesten blicken: So hat Sascha Lensing von der AfD Duisburg die Schwurbeldemo am 17.Januar “privat” auf seinem öffentlichen Facebook-Profil beworben. Auch ist er auf Posts von seinem Parteikameraden Andreas Laasch auf der Demo zu sehen. Dies ist gleich doppelt problematisch, da Lensing Polizist ist. Auf einem anderen Bild von Laasch sind Marcel Schmuck und weitere Mitglieder von Die Rechte zu sehen. Markus Spank scheint laut Foto als Ordner beteiligt gewesen zu sein. Zumindest hatte er eine “Ordner”Markierung aus Kreppband auf seiner Jacke. Spank war in der Vergangenheit bereits auf Fotos von AfD Flyeraktionen zu sehen. Heike Betz hat im Dezember zumindest einen Post mit Fotos von einer Coronademo in Oberhausen geteilt, sie scheint diese Aufmärsche also auch grundsätzlich zu unterstützen.
 
 
Ausblick
 
Am 17. Januar ist ein Konflikt offen ausgebrochen, der schon länger innerhalb der Orga-gruppe zu schwelen schien. Im Telegram-Chat von Straub waren nach dem Vorfall um die Ingewahrsamnahme offene Gewaltaufrufe gegen die Polizei zu lesen. So habe man beispielsweise die Polizei angreifen sollen, um den Teilnehmer zu befreien. Offensichtlich wird nun über eine militantere “Strategie” diskutiert. Brackmann hat die Montagsdemo am 24. Januar nun abgesagt – Straub und Co freuen sich und melden nun für Montag den 24.01. selbst eine Demo an. Da die umtriebigsten Hetzer in der “Wir Stehen Auf”-Gruppe gesperrt sind, haben sie sich sogar die Mühe gemacht, alle Gruppenmitlgieder privat anzuschreiben, um “ihren” Aufmarsch am kommenden Montag zu bewerben. Weiter wurde eine “Bekanntgabe” in Form eines vierseitigen PDF Dokuments in den TG-Gruppen verbreitet. Dort werden Strategien zur Aushebelung der aktuellen Coronaschutzverordnung benannt. So sollen die Teilnehmenden beispielsweise Trillerpfeifen sowie genügend Essen und Trinken mitbringen, um somit das Tragen einer Maske zu verweigern. Als technische Maßnahme wird darauf hingewiesen die Handykamera griffbereit zu haben, sobald man das Gefühl habe schikaniert zu werden. Außerdem solle man einen auf 1,5 Meter Länge geklappten Zollstock bei sich führen, um Polizist*innen auf Abstand zu halten. Es gibt noch einen weiteren “kleinen aber effektiven Plan, um […] gegen die Willkür der Behörden anzugehen.” Aus Angst vor möglicher Beobachtung der TG-Chats wird dieser jedoch nicht im Vorfeld bekannt gegeben. Die Diskussionen in den Telegram-Gruppen sind vom Ruf nach Militanz geprägt.
Trotz des offen schwelenden Konflikts wird in dem Papier Zusammenhalt propagiert. So heißt es beispielsweise: “Wir wollen geschlossen gehen und eine Einheit bilden. Das gibt erhebliche Sicherheit und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Einer für alle und alle für einen.” Es bleibt spannend, wie sich die Teilnahmezahlen entwickeln, was passiert falls die Polizei versuchen sollte die Maskenpflicht durchzusetzen und ob es sich diesmal um einen tatsächlichen Bruch zwischen den beiden Lagern handelt.
 
Warum es sich unabhängig von der Teilnahme oder Nichtteilnahme einzelner Neonazis bei den aktuellen Aufmärschen um im Kern rechte und antisemitische Mobilisierungen handelt, haben wir z.B. in unseren Redebeiträgen deutlich gemacht. Einen davon findet ihr hier.
 
Untenstehend noch ein paar Bilder – wir danken allen Menschen, die sich immer wieder in Gefahr begeben, um Naziaufmärsche und rechte Mobilmachungen zu dokumentieren!
 
 
Richtigstellung:
In einer früheren Version ist uns ein Fehler passiert. Wir haben die Mengele-Vergleiche eines Redners am 13. Dezember fälschlicherweise einem anderen Redner zugeschrieben, den wir hier auch namentlich genannt haben. Der Redner hat uns kontaktiert und auf den Fehler hingewiesen. Als Konsequenz haben wir seinen Namen aus diesem Artikel gelöscht.

Redebeitrag bei Gegenprotest gegen Querdenken am 10.01.2022

Am Montag den 10. Januar 2022 haben wir auf dem Gegenprotest gegen die verschwörungsidologischen “Querdenken”-Aufmärsche eine Rede gehalten, deren Inhalt wir hier dokumentieren:

Graffiti: Fight Querdenken
Das System ist gemein, aber nicht geheim. Fight Querdenken!

Wir befinden uns im dritten Jahr einer gefährlichen Pandemie. Das heißt, wir müssen uns immer wieder mit steigenden Infektionszahlen und neuen Virus-Varianten herumschlagen. Gleichzeitig beobachten wir ein Versagen in “der” Politik, die wirtschaftliche Interessen mal wieder über Menschenleben stellt, wissenschaftliche Erkenntnisse oftmals ignoriert oder instrumentalisiert und auf die Krise weitgehend nur mit spießbürgerlicher Symbolpolitik reagiert. Entweder gibt es autoritäre Antworten, die hauptsächlich sozial und finanziell benachteiligte Teile der Bevölkerung treffen, oder Maßnahmen, die im neoliberalen Sinn an die sogenannte Eigenverantwortung der Bürger*innen appellieren.

Nun können Krisen immer als Chance gesehen werden, um aus vergangen Fehlern zu lernen und um etwas besseres entstehen zu lassen. Und ja, auf den Straßen wird protestiert. Doch leider nicht für einen solidarischen Weg aus der Krise. Die Debatten um mögliche politische Maßnahmen werden von Fake-News, rechte Propaganda und Verschwörungszählungen dominiert. Die Menschen gehen gegen 3G oder 2G, gegen eine vielbeschworene „Spaltung der Gesellschaft“ oder gegen „die da oben“ auf die Straße. Sie denken sie Kämpfen gegen eine vermeintliche Diktatur. Teile von ihnen lehnen Impfungen und wissenschaftlich-basierte Medizin allgemein ab oder sie leugnen gleich die Existenz der Pandemie. Ihr seht, die Themen auf diesen Protesten sind vielfältig. Nur für das gute Leben für ALLE scheint kaum jemand das Haus zu verlassen… Aber ist gibt neben all den Unterschieden auch etwas, was die aktuellen Proteste alle gemeinsam haben.

Die erste Gemeinsamkeit: Durch den massiven Zulauf bei den Protesten kommt es zu einer merklichen Radikalisierung. “Wer mit 1.000 Menschen auf die Straße geht, fühlt sich in der Mehrheit. Wenn es plötzlich der Nachbar ist, mit dem man zusammen demonstriert, fühlt man sich zusätzlich bestärkt” (Pia Lamberty). In den dazugehörigen Telegram-Gruppen wird sich stark um Vernetzung abseits der größeren Demonstrationen bemüht. Es entstehen Untergruppen, Regionalgruppen und Stadtteilgruppen. Das heißt, die Mitglieder verabreden sich auch abseits der großen Termine für ihre „Spaziergänge“. Es geht explizit darum, sich für den “Tag X” zu vernetzen, oder falls Telegram die ganzen Chatgruppen löscht. Die Teilnehmer*innen fühlen sich durch das Gerede von einer imaginierten “Corona-Diktatur” bestärkt. Sie schaffen eine politische Endzeiterwartung und denken im “Jetzt oder nie”. Dies wiederum nutzen sie, um ihre, teilweise auch gewaltvollen, Aktionen zu rechtfertigen. Denn was sollte gegenüber einer nahenden Diktatur nicht gerechtfertigt sein? Und hier kommen wir wieder ins Spiel. Diese gefühlte Ermächtigung muss gebrochen werden. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir heute hier sind und dem selbsternannten Volk zeigen, dass sie eben nicht die Mutigen sind, die für eine schweigende Mehrheit sprechen. Dass sie eben nicht die Mehrheit sind, keine Vollstrecker*innen eines imaginierten Volkes, keinen Held*innen die durch die Weigerung des Maskentragens ein autoritäres System stürzen.

Nun zur zweiten Gemeinsamkeit. Die Proteste stützen sich, wer hätte es anders gedacht, stark auf extrem rechte Strukturen. Das heißt, sie werden von Akteur*innen der extremen Rechten mit organisiert, koordiniert, beworben, besucht, geprägt und radikalisiert. Dies ist auch hier in Duisburg der Fall, wo man sich nach außen durchaus Mühe gibt einen rechtsradikalen Eindruck zu vermeiden. So nennt der Organisator Stefan Brackmann beispielsweise die extrem rechten „Freien Sachsen“ als Vorbild und wähnt sich im “Widerstand”. Organisator Dennis Straub war früher schon Strippenzieher von Pegida und beklatscht Holocaustrelativierungen und Organisator “Marko” benutzt antisemitische Codes und verbreitet haarsträubende Falschinformationen. Auf den Demos tummeln sich militante Neonazis aus dem Umfeld von Pegida und Die Rechte und bedrohen Journalist*innen und politische Gegner*innen. Aber an dieser Stelle sei noch gesagt, dass die extreme Rechte die Demonstrierenden gegen die Corona-Schutzmaßnahmen keinesfalls verführt hat, sondern , dass die extreme Rechte sich nur angedockt hat und die ideologischen Lücken füllt. Dass die rechten Aktivist*innen den gebotenen Raum nutzen um ihre menschenverachtenden Positionen zu normalisieren, sie anschlussfähig zu machen und die anderen Teilnehmer*innen zu radikalisieren. Und hier wird wieder deutlich, weshalb unser Gegenprotest heute so wichtig ist. Wir müssen zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen und Betroffene der Einschüchterungsversuchen helfen, weiter aktiv zu bleiben. Wir wollen den Teilnehmer*innen des Protests vor Augen halten, dass sie nicht die Verfolgten einer Diktatur sind, sondern dass sie Neonazis und Faschist*innen unterstützen, die nichts lieber täten als eine echte Diktatur zu errichten.

Und damit sind wir bei der dritten Gemeinsamkeit der aktuellen Proteste: dem Antisemitismus. Und nicht das hier Unklarheiten entstehen, der Antisemitismus ist nicht einfach plötzlich da, er war nie weg. Er schlummerte in der Gesellschaft, wurde hinter vorgehaltener Hand weitergegeben. Neu ist nur, dass er sich so offen und so laut äußert. Er ist das perfekte Bindeglied zwischen der vermeintlich politisch neutralen Mitte der Gesellschaft und der extremen Rechten. Der Antisemitismus äußert sich in den immer wiederkehrenden unpassenden Vergleichen der Ungeimpften als den „neuen Jüdinnen und Juden“, in den Selbstinszenierungen als „Widerstandskämpfer*innen“, im Gerede von Diktatur, “den globalen Eliten”, dem “Great Reset” und dem Impf-Genozid. Antisemitismus ist in den Verschwörungserzählungen selbst angelegt. Sie handeln stehts von einer kleine Gruppe an geheimen, supermächtigen und zugleich niederträchtigen Menschen. Es gibt Sündenböcke, die alles, was auf der Welt geschieht, planen und steuern. Diesen vereinfachten Welterklärungen gilt es ein analytisches und selbstreflektierendes Denken entgegenzusetzen. Ein Denken, dass Autoritäten hinterfragt und nicht nur das Problem auf geheime Logen verschiebt. Ein Skeptizismus, der vor den eigenen Überzeugungen nicht halt macht. Ein Denken, dass wissenschaftliche Erkenntnisse akzeptiert. Und vor allem ein solidarisches Denken – und Handeln.

Als radikale, emanzipatorische Linke können wir uns nicht darauf ausruhen, uns impfen zu lassen und uns in der globalen Krise möglichst persönlich verantwortungsvoll zu verhalten. Die Einschränkungen von bestimmten Grundrechten müssen kritisch beobachtet werden. Autoritäre Polizei- und Versammlungsgesetze müssen bekämpft und verhindert werden. Durch die Krise verschärfen sich die sozialen Ungleichheiten gerade massiv, hier müssen wir aktiver sein!

Gegen kapitalistische Verwertung des Gesundheitssektors und gegen Impfpatente, gegen die Abschottung Europas und für offene Grenzen und für sichere Fluchtwege, gegen den körperlichen und psychischen Raubbau an Pfleger*innen, Arbeiter*innen, Eltern und allen anderen, die besonders unter der Krise leiden. Wir müssen uns solidarisch organisieren, um unsere Forderungen durchsetzen zu können und um die Lasten der Krise gerecht zu verteilen!

Gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft, in der für alle gesorgt wird und wir alle ohne Angst unterschiedlich sein können.

Sharepic des Gegenprotestes
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Nachbericht: Pegida NRW 8. November 2021

Hier unser Nachbericht zur Kundgebung von Pegida NRW in Duisburg am 08. November 2021. Die Kundgebung fand in einem von der Polizei mit Hamburger Gittern abgesperrten Teilbereich des Bahnhofvorplatzes statt. Bis auf die ca. 50 rechten Teilnehmenden verirrte sich sonst niemand dorthin. Die meiste Zeit wurde die Kundgebung von dem antifaschistischen Gegenprotest übertönt.

Foto von Infozentrale

Die Kundgebung von Pegida NRW wurde von einem gewissen „Stefan“ als Versammlungsleiter eröffnet. Unterstützt wurde die Veranstaltung unter anderem durch René Abel, Tanja M. und Hanno Breitkopf, die durch ihre Ordner*innenbinden auffielen. Hanno “Jupp” Breitkopf sprang außerdem als “Techniker” ein, wenn Kevin Strenzke mit der Lautsprecher-Box überfordert war. Tanja M. fiel unter anderem dadurch auf, dass sie aggressiv Fotograf*innen anpöbelte. Strenzke, der vor sechs Jahren seine erste Rede bei Pegida NRW hielt, moderierte die Kundgebung, stellte die Redner vor und fungierte auch selbst als Redner – teilweise allerdings ziemlich wirr. Kevin nahm mal die Rolle eines Motivationstrainers, mal die eines “Kämpfers” für “das deutsche Volk” ein. Dies schien sein Versuch zu sein, den Streit innerhalb der Szene zu überwinden und die Rechten zu aktivieren.

Anwesend waren mehrere Personen, die auch am 9. Oktober 2021 bei Siegfried Borchardts Trauermarsch in Dortmund demonstrierten, unter ihnen der Streamer Kevin Gabbe. Weiter Richard Lange (Bruderschaft Deutschland), der mit einer Handvoll seiner “Brüder” aus Düsseldorf anreiste, und Cindy Kettelhut (früher Begleitschutz Köln).

Auch Jürgen Hans Grimm von PI-News ließ sich blicken (im Hintergrund mit grünem Parka und gestreiftem Pulli). Mittig mit schwarzer Basecap Cindy Kettelhut und vorne rechts Richard Lange

Zu Beginn der Veranstaltung behauptete Kevin Strenzke, mit einem AfD-Mann aus Kleve telefoniert zu haben, der in Kleve „Corona-Spaziergänge“ organisiere. Weiter sprach Strenzke von einem „Hick-Hack“ innerhalb der rechten Szene und dass es frustrierend sei, dass man sich schon gegenseitig die Köpfe einschlagen würde. In diesem Sinne beschwor Strenzke Eintracht, wobei er im selben Satz verkündete, dass er inzwischen auch „klare Kante“ zeige und nicht mehr mit jedem und viele auch nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten würden. Strenzke schien gar nicht erst zu versuchen, den internen Zwist zu vertuschen. Weiter bedauerte Strenzke den „überproportional“ häufigen Tod von „Patrioten” in letzter Zeit. Namentlich nannte er Manfred Horn, Udo “den Lebensgefährten von Iris Swoboda” (“Mütter gegen Gewalt”), Siegfried Borchardt und Frank Theißen. In einer Schweigeminute wollte er den Toten gedenken, leise war es währenddessen dank des Gegenprotests jedoch nicht. Gleichzeitig konnte er selbst nach dem Tod von Manfred Horn nicht von alten Zerwürfnissen und Streitigkeiten ablassen. So erwähnt Strenzke aufgewühlt, dass ihm vorgeworfen wurde 20 Euro, die für Manfred Horn bestimmt waren, unterschlagen zu haben.

Kevin Strenzke (Foto von Infozentrale)

Neben internen Streitigkeiten, die Strenzke insgesamt dann doch irgendwie überwinden möchte, will er auch den „Schuldkult“ beenden. “Die Deutschen” müssten sich von der Vergangenheit lösen und gleichzeitig “vollenden, wofür die Ahnen auf den Schlachtfeldern gefallen sind”. Denn “die Deutschen” seien etwas ganz besonderes. Zwischendurch ging es dann auf einmal um „3-G, 2-G, 1-G“ und plötzlich um Schimanski und den Tatort. Unserer Einschätzung nach konnte ihm niemand so richtig folgen.

Allerdings wurde schnell klar, dass er während seinen Reden den Holocaust relativiert und eine Geschichtsumdeutung vornimmt als er z.B. sagte: „Wir müssen uns […) von vor ’45 lösen, was nicht heißt, dass wir die Vergangenheit nicht mal richtig aufarbeiten, diese sogenannte Lügen- und Siegergeschichtsschreibung – ich hoff ich hab jetzt nix falsches gesagt, ne? Hehe… aber ihr wisst was ich meine.“ Die Bezeichnung “Lügengeschichtsschreibung” kann dahingehend interpretiert werden, dass er den Holocaust als Lüge bezeichnen möchte.

Markus Rahmsdorf brüllt sich in Rage (Foto von Infozentrale)

Der erste angekündigte Redner ist Markus Rahmsdorf, der die Bewegung „Neue Stärke“ nach NRW holen will und erst kürzlich aus Münster nach Krefeld gezogen ist. Die sogenannte “Neue Stärke” ist eine seit 2020 existierende Abspaltung der Neonazikleinstpartei “Der Dritte Weg”. Jedoch kopiert sie zum Großteil das Auftreten sowie die inhaltliche Ausrichtung vom “Dritten Weg” und hat vor allem rund um Erfurt ihren Schwerpunkt. Die “Neue Stärke” orientiert sich am historischen Nationalsozialismus und beschwört einen besonders aggressiven und kämpferischen völkischen Nationalismus. Rahmsdorf, der schon als AfD-Ordner, Corona-Leugner, Gelbweste, im Umfeld von HoGeSa und mit der wenig erfolgreichen rechten Gruppierung “Patriotic Opposition Europe” (POE) aufgefallen ist, hielt seine Rede ohne jeden roten Faden. Hauptsächlich schimpfte er gegen die „rote Pest“ und gedachte nebenbei dem verstorbenen „Birdy“. Während er erwähnte, dass seine Groß- und Urgroßeltern Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut hätten, brüllt er ins Mikrofon. Weiter machte ihn der lautstarke Gegenprotest sichtbar wütend. So brüllte er weiter, dass der Gegenprotest, fallen werde, “denn die Feinde Deutschlands fallen immer”. Als der Gegenprotest dann zu einer eigenen Demonstration aufbrach waren die Faschos deutlich irritiert. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, ihr einziges Publikum zu verlieren.

Orgateam: Tanja M., René A., Kevin Strenzke, Hanno B. (v.l.n.r.)

René Abel verbreitete in seiner Rede krude Verschwörungserzählungen und reihte sich ein in die Reihe der Reden mit eigener, verquerer Logik. Mit Äußerungen wie der, dass Corona der “größte Völkermord der Geschichte” sei relativierte er den Holocaust. Später verkündet er, dass der Islam der Nationalsozialismus sei, nur in einer extremeren Ausprägung. Seine Geschichtsauffassung wird weiter deutlich als er aufgeregt erzählte, dass der “globale Kommunismus” DAS Problem in Deutschland sei. Zudem wurde sichtbar, dass er sich durch den Gegenprotest gekränkt fühlt. So äußerte er, dass er es gemein finde, dass er Nazi genannt wird. Auch er kommt von Stöckchen auf Hölzchen, ohne einem roten Faden zu folge.

Dennoch werden die verbindenden Elemente zwischen den Redebeiträgen deutlich, so wird ein aggressiver und exkludierender (für die Faschos natürlich inkludierender) Volksbegriff verwendet. Dieses angesprochene Volk wird durch eine eigene Geschichtsauslegung, die eine Relativierung des Holocaust und der Zeit des Nationalsozialismus beinhaltet, konstruiert und immer wieder im Hier und Jetzt beschworen. Um jedoch nicht nur in der Vergangenheit zu verweilen, werden aktuelle Themen wie die Covid-19-Pandemie, als gesellschaftlich derzeit alles beherrschendes Thema, aufgegriffen. Und als Aufhänger werden immer wieder die Gegendemonstrant*innen addressiert und zum Thema gemacht. Denn diese sind eben die stetigen Begleiter*innen dieser Veranstaltungen.

Verabschiedet werden die Faschos schließlich nach ca. 3 Stunden von Stefan mit den Worten „Kommt gut nach Hause – lasst euch nicht von denen erwischen!“. Wer konkret diese “denen” ist, wird nicht weiter erläutert und lässt den Interpretationsraum offen.

Foto von Infozentrale

Zusammenfassend ist und bleibt Pegida NRW ein absolutes Trauerspiel, wir haben auch nichts anderes erwarten. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass es sich bei den Teilnehmenden zum Teil um organisierte Nazis handelt. Sie sind nicht ungefährlich, verbreiten sexistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut und schrecken auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück. Gleichzeitig können ihre öffentliche Auftritte und die ständige Wiederholung der immergleichen Parolen dazu führen, dass eine Normalisierung ihrer Gegenwart und ihrer politischen Agitation und eine gesellschaftliche Gewöhnung und Abstumpfung stattfindet. Außerdem dienen die wiederkehrenden Versammlungen als wichtige Vernetzungsplattformen, auf denen Pläne geschmiedet und politische Aktionsgruppen gefunden werden können.

Deshalb überrascht es leider nicht, dass die rechten Aktivist*innen von Pegida NRW rund um Kevin Strenzke trotz der marginalen Reichweite und mit den immergleichen Teilnehmer*innen am 12. Dezember 2021 um 15 Uhr am Hauptbahnhof erneut in Duisburg demonstrieren wollen. Auf Facebook bewerben sie ihren Aufmarsch mit gewohnt furchtbarem Grafikdesign und den Worten: “Auf gehts!!! Die Impfung schadet!!! Alle nach Duisburg am 12.12.” Unter dem Motto “Kulturerhalt! Freiheit und Solidarität durch Impfpflicht???” 

Lasst uns auch dieses “Event” der Rechten wieder zum Desaster machen! Kommt deshalb am 12.12.2021 zum Duisburger Hauptbahnhof, um Euch den Nazis in den Weg zu stellen und unsere Utopie vom schönen Leben für alle auf die Straße zu tragen. Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!

Gedenkspaziergang 9. November 2021

Gedenken heißt erinnern. Deswegen haben wir am 09. November 2021, dem Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, zu einem Stolperstein-Spaziergang durch Duisburg-Hochfeld eingeladen. Wir haben den Opfern des Nationalsozialismus (NS) gedacht, Stolpersteine gesäubert und Kerzen und Blumen abgelegt.

Am 09.11.1938 wurden die Geschäfte von jüdischen Inhaber:innen geplündert und zerstört, Synagogen in Brand gesteckt und Jüd:innen verletzt, getötet und in den Suizid getrieben. All dies geschah auch hier in Duisburg. Bis heute sind keine konkreten Opferzahlen dieser Nacht bekannt und wir wissen nur wenig über die Täter:innen. Was wir jedoch wissen ist, dass mindestens 1.406 Synagogen und Betstuben auf dem damaligen Reichsgebiet zerstört und mehr als 1.300 Menschen getötet wurden.
Die Pogrome gelten als Einschnitt in die Geschichte der nationalsozialistischen Jüd:innenverfolgung und können als Scharnier zwischen Ausgrenzung und Vernichtung gesehen werden. Somit stellt die Nacht eine wichtige Eskalationsstufe auf dem Weg in die Shoah dar. Gleichzeitig wird die Rolle der vermeintlich passiven Zuschauer:innen anhand dieser Nacht deutlich. Ihr Nicht-Einschreiten, ihr Schweigen und ihre Passivität hielten als Legitimation für den öffentlichen Gewaltausbruch her. Ihr Verhalten konnte und wurde als Zustimmung gewertet. Und dies, obwohl der “Volkszorn” primär von der SA- und SS-Männern, Parteiaktivist:innen und HJ-Angehörigen durchgeführt wurde. Der einzige öffentlich wahrnehmbare Grund, weshalb Teile der Bevölkerung die Pogrome kritisierte war die Zerstörung von Sachwerten (Möbel etc.). Eine öffentlichwirksame Solidarisierung mit Jüd:innen fand nicht statt. 1930 lebten in Duisburg um die 3.171 jüdische Bürger:innen. 1937 waren es nur noch 1.457 und 1939 lediglich 841.

Auch die Rolle der Polizei Duisburg in dieser Nacht soll nicht verschwiegen werden. So wurde der Polizei am 10.11.1938 um 0:22 Uhr mitgeteilt, “daß ab sofort Aktionen gegen Juden unternommen werden. Hiergegen ist nicht einzuschreiten. Die Aktionen sind im Gegenteil zu unterstützen. Es ist damit zu rechnen, daß Synagogen in Flammen hochgehen.” Im Nachgang meldete die Polizei, dass in Duisburg 25 Geschäfte, 3 Synagogen, 1 jüdisches Gemeindehaus, die Leichenhalle des jüdischen Friedhofs, das Sitzungszimmer der jüdischen Gemeinde und eine Wohnung in Ruhrort zerstört und 60 Jüd:innen festgenommen wurden. Im internen Polizeibericht stand, dass 40 Wohnungen verwüstet wurden. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Zahlen nicht zwingend das gesamte Ausmaß der Zerstörung wiedergeben, denn die Zahlen der Täter:innen sind immer mit Vorsicht zu verwenden.

Erinnern und Gedenken zielt nicht nur auf die Vergangenheit ab, sondern Erinnern heißt auch verändern. Die Geschichte von Verfolgten sichtbar zu machen und in der Erinnerung zu behalten ist ein politischer Akt. Die Nazis strebten das Ziel an, dass die Verfolgten vergessen werden, dass ihre Existenz komplett ausgelöscht wird und nichts an sie und ihr Leben erinnert. Dies haben die Nazis jedoch nicht geschafft und wir können den Verfolgten und Ermordeten heute noch erinnern. Erinnern ist somit auch ein Werkzeug, die Gegenwart zu gestalten und die Geschichtsschreibung mitzubestimmen. Diese wirkt sich mit darauf aus, welche Perspektiven in der Gegenwart sicht- und hörbar sind.

Nun zu den Menschen, denen wir bei unserem Spaziergang durch Duisburg-Hochfeld erinnerten: Die Reichspogromnacht galt vor allem jüdischen Menschen, jedoch war das “rote Hochfeld” ein kommunistisch geprägtes Arbeiter:innenviertel – die meisten der hier verlegten Stolpersteine erinnern deshalb an aus politischen Gründen Verfolgte und Widerständler:innen. Aus diesem Grund haben wir auch die Stolpersteine von nicht-jüdischen Menschen mit in den Spaziergang eingebunden.

Provisorische Gedenktafel für Peter Verhaelen

In der Moritzstr. 14 lebten Hugo und Babette Steinweg. Gemeinsam leiteten sie die Firma “Geschwister Levi” auf der Wanheimerstraße 160. In der Pogromnacht zerstörten die Nazis das Geschäft und die Wohnung der Eheleute. Der gelernte Schneider Hugo Steinweg wurde am 11. Dezember 1941 in das Konzentrationslager (KZ) Riga deportiert und dort ermordet. Auch Babette wurde in das KZ Riga deportiert und kehrte nicht zurück.

Eine weitere Person, der wir gedachten, ist Peter Verhaelen. Er beteiligte sich mit 19 Jahren gegen Ende des 1. Weltkriegs am Boykott der Matrosen und Arbeiter, welcher lediglich zum Waffenstillstand und zum Ausrufen der Rublik führte. Ein Überfall auf eine Matrosenunterkunft traumatisierte ihn,unter den Folgen litt er sein ganzes Leben. Verhaelen war ein Gegner des Naziregimes, was schließlich dazu führte, dass er auf Betreiben seiner Arbeitgebers, der Duisburger Kupferhütte, in eine psychiatrische Anstalt geschickt wurde. Dort wurde im eine “Schizophrenie” “diagnostiziert”. Am 18. Mai 1936 wurde er trotz heftigem Widerstand zwangssterilisiert. Am 8.Mai 1937 wurde er in der “Heil-und Pflegeanstalt” Bedburg-Hau in “Schutzhaft” genommen, da seine Unterstützung einer jüdischen Familie an die Gestapo verraten wurde. Am 8. März 1940 wurde Verhaelen im Rahmen der T4-Aktion mit 323 weiteren Patient:innen in Spezialbussen nach Brandenburg an der Havel transportiert und dort vergast. Der Stolperstein für Peter Verhaelen wurde am 08.10.2012 an der Duisburger Haltestelle Marienhospital verlegt. Seit Oktober 2019 wurde der Stolperstein dort nicht mehr aufgefunden. Deshalb hier unsere Forderung an die Stadt Duisburg: ersetzt den Stolperstein für Peter Verhaelen!

An der Paulusstr. 9 liegt der Stolperstein für die Eheleute Adele und Noe Cohnen. Zusammen führten sie ein Manufakturwarengeschäft “Geschwister Breuer” in Duisburg Hochfeld in der Wanheimerstraße 127. Zuvor führte Adele das Geschäft gemeinsam mit ihrer vier Jahre hüngeren Schwester Henriette. Am 10. November 1938 wurde zuerst das Geschäft der Cohnens und danach ihre Wohnung zum größten Teil zerstört. Im Anschluss wurde das Ehepaar zu Verhören abtransportiert und wurde hier vermutlich gefoltert. Laut den Angaben eines Hausbewohners seien die Cohnens bach Tagen apathisch und verängstigt von den Verhören zurückgekommen. Am Neujahrsmorgen 1939 wurden sie tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Wahrscheinlich begingen sie als Folge des Pogroms Selbstmord.

Stolpersteine des Ehepaares Cohnen

An der Wanheimerstr. 74 gedenken wir Chaja und Emma-Anna Ajsenberg. Chaja emigrierte 1933 mit ihrer Tochter Emma-Anna nach Belfien. Hier wurde sie am 3. Dezember 1942 in das Sammellager Mecheln und nur kurze Zeit später in das KZ Auschwitz deportiert. Bei Kriegsende wurde sie für tot erklärt. Emma-Anna wurde mit 18 Jahren im August 1942 deportiert und nur wenige Tage später ermordet.

Auf der Wanheimerstr. 30 lebte Hanni Toni Fruchter. Sie wurde im Juni 1913 geboren und war im sozialistischen Schüler:innenbunnd SSB, der Arbeiter:innenhilfe und der Roten Hilfe aktiv. Am 23. April 1933 wurde sie nach Polen ausgewiesen. Die Nazis ermordeten sie in Auschwitz.

Stolperstein von Katharina Sennholz

Katharina Sennholz kam 1902 zur Welt. Sie war Arbeiterin, politische Aktivistin der KPD und wurde von Freund:innen Käthe genannt. Am 01. Februar 1933 sie von der SA erschossen. Die Ermittlung der Täter*innen blieb erfolglos. Sie war eines der ersten Todesopfer der Nazis in Duisburg.

Die Eheleute Frieda und Simon Frost wohnten auf der Heerstraße 118. Im Oktober 1938 wurden beide von der Gestapo verhaftet und am 28. Oktober mit einem Sonderzug nach Polen abgeschoben. Simon gilt als verschollen und Frieda wurde am 31.12.1945 für tot erklärt.

Stolpersteine von Simon und Frieda Frost (Bild von Twitter)

Fanny Menke lebte auf der Johanniterstr. 8 und war mit Heinrich Menke verheiratet. Am 15. September 1944 wurde Fanny gewaltsam aus ihrer Wohnung verschleppt und in ein Zwangsarbeiter:innenlager deportiert. In diesem Lager Ammendorf bei Halle an der Saale wurde sie am 13. Januar 1945 ermordet. Damit war sie einer der zahlreichen Opfer der letzten planmäßigen “Judenaktion” der Nazis, etwa ein halbes Jahr vor Kriegsende. Diese Aktion verfolgte das Ziel jüdische Ehepartner:innen zu ermorden, welche mit nicht-jüdischen Deutschen verheiratet waren.

Leider wissen wir nur wenig über die Biographien der Menschen, welcher durch die Stolpersteine gedacht wird. Häufig sind nur die Geburts- und Ermordungsdaten bekannt. Gerne würden wir ihnen persönlicher gedenken, während des Spaziergangs etwas darüber erzählen können, was die Personen mochten und was sie ausgemacht hat. Das dies aufgrund der dürftigen Datenlage nicht möglich ist bedauern wir sehr. Dennoch wollen wir ihre Namen nennen und ihnen gedenken, auf dass sie nicht vergessen werden.

In Duisburg wurden insgesamt um die 300 Stolpersteine verlegt. Wenn Euch einer begegnet, nehmt Euch doch mal die Zeit, um Euch über das Schicksal der Menschen zu informieren.

Auf das die Opfer nicht vergessen werden! Kein Vergeben – kein Vergessen! Erinnern heißt kämpfen.

Konzertbericht von unserem ersten Solikonzert

Am Samstag, den 9. Oktober 2021, konnten wir unser erstes Soli-Konzert veranstalten. Mit den DIY Punk-Bands RAEST (https://raest.bandcamp.com/), MARODE (https://marode.bandcamp.com/) und THEILEN (https://theilen.bandcamp.com/) konnten wir 3 x dreckigen Punk aus Köln, Düsseldorf und Düsseldorf & Köln präsentieren. Und das dann auch noch in Duisburg! Einfach unglaublich! Was uns besonders gefreut hat ist, dass in jeder Band mindestens eine FLINTA-Person spielt. Auch wenn die Freude etwas dadurch getrübt wird, dass diese Tatsache immer noch erwähnenswert ist… Daraus wollen wir die Konsequenz ziehen, mehr FLINTAs eine öffentliche Bühne zu geben. 

Den 150 Besucher*innen konnten wir uns an dem Abend “ganz offiziell” von der Bühne aus vorstellen. Natürlich gab es an unserem Infotisch auch den angekündigten Pfeffi aus essbaren Schoko-Pinnchen. Weiter konnte sich hier sowohl in unser Selbstverständnis (https://antifafirstaid.blackblogs.org/werwirsind/) eingelesen, als auch Infomaterial und eine bunte Palette an Stickern zum Verschönern der Stadt mitgenommen werden. Außerdem stellte sich die Initiative Ahmed Amad mit einem Infotisch (https://initiativeamad.blackblogs.org/) vor, sammelte Spenden und Fördermitglieder für die Solidarische Gesellschaft der Vielen (https://sgdv.org/). Wenn ihr das auf dem Konzert verpasst habt, habt ihr immer noch die Möglichkeit, es nachträglich nachzuholen.
Selbstverständlich hatten wir auch ein eigenes Awareness-Konzep am Start, um vielen Menschen eine angenehme und möglichst safe Feier-Athmospähre bieten zu können.

Während also Nazis aus Duisburg nach Dortmund reisten, um mit anderen Rechten um ihren verstorbenen “vorzeige Kameraden” zu trauern, feierten und tanzten wir umso fröhlicher durch den Abend.

Wir danken: allen Besucher*innen, allen Menschen die Schichten übernommen haben und so die Veranstaltung erst ermöglicht haben, den Bands und dem Stapeltor für das Stellen der Infrastruktur und die Unterstützung. Bis zum nächsten Mal!

Review: Fest der Vielen

Am Samstag, den 28. August 2021, fand in Duisburg Hochfeld das trotz schlechter Wetterprognosen gut besuchte “Fest der Vielen” statt.

Umsonst und draußen wurde den zahlreichen Besucher:innen im Rheinpark einiges geboten. Neben einem Podiumsgespräch, einem Poetry Slam und verschiedenen musikalischen Acts gab es die Möglichkeit, sich vor Ort gegen Spende tätowieren zu lassen, köstlich zu essen, zu trinken und verschiedene Initiativen und Organisationen an ihren Infoständen kennenzulernen.

Plakate der Initiative Amed Ahmad und des Fests der Vielen.

Das “Fest der Vielen” fand unter dem Motto “Antirassistische Kämpfe verbinden” statt. Es wurde genutzt um zusammenzukommen und gemeinsam an den 37. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags vom 26.08.1984 in Duisburg-Wanheimerort zu gedenken und erinnern. Sieben Duisburger:innen wurden hier ermordet. Döndü Satır – 40 Jahre, Zeliha Turhan – 18 Jahre, Rasim Turhan – 18 Jahre, Songül Satır – 4 Jahre, Ümit Satır – 5 Jahre, Çiğdem Satır – 7 Jahre, Tarık Turhan – 50 Tage. Schon zwei Tage vor dem Fest, am 26. August 2021, fand ein stilles Gedenken vor dem Haus der Angehörigen statt.

Transparente der Initiative Duisburg 26. August 1984.

Auch wir fordern: Kein Vergeben – Kein Vergessen! Rassismus muss von öffentlicher Seite aus endlich als Motiv anerkannt werden! Der rassistische Brandanschlag muss vollends aufgeklärt werden!

Auch das Podiumsgespräch fand unter dem Motto “Erinnern, Kämpfen, Aufklären. Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Gespräch – aus Duisburg, Köln, Kleve, Halle und Hanau” statt. Die Moderator:innen Kutlu Yurtseven und Bengü Kocatürk-Schuster sprachen gemeinsam mit Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt über selbstorganisierte Initiativen, Solidarität, vielstimmige Erinnerung und betroffenenorientierte Gedenkkulturen. Auf dem Podium saßen Überlebende des Brandanschlags 1984 in Duisburg, Malek Ahmad, der Vater des in der JVA Kleve gestorbenen Amed Ahmads, Talya Feldmann, Überlebende des antisemitischen, rassistischen und antifeministischen Anschlags in Halle, Çetin Gültekin, Bruder des in Hanau ermordeten Gökhan Gültekin und Mitat Özdemir, ehemaliger Vorsitzender der Interessensgemeinschaft Keupstraße.

Im Anschluss performten die Künstler:innen und Poetry-Slammer:innen Abdul Kader Chahin und Lisa Brück unter anderem ihren gemeinsamen Text “Anklage – in memoriam Oury Jalloh”: “[…] diesen Mördern das Feld nicht überlassen. Wir sind es Oury schuldig. Dieser Mord muss aufgeklärt werden. Es muss Gerechtigkeit walten. Die Politik und Justiz müssen ihren Amtseid halten. Unsere Demokratie ist nichts wert wenn sie die Täter:innen auf freiem Fuß lassen. Ihr seid nicht unschuldig und euer Schweigen kann euch nicht frei machen. Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr euch klar macht, wie weit Rassismus gehen kann. […] Was geht euch durch den Kopf, wenn der Faschismus getarnt als Einzelfall keine gerechte Konsequenz bekommt. Es liegt in unserer Hand, ob Oury umsonst gestorben ist. Nichts macht es wieder gut, aber wenn sein Tod die Wurzel des Elends endlich raus reißt, rettet das wenigstens andere Menschenleben. Das wenigste wäre auch Gerechtigkeit für die Zukunft, aber am meisten für Oury. Das geht auch nicht nur durch den Kopf, sondern vor allem mit Herz.”

Festivalgelände im Dunkeln mit leuchtenden Ständen.

Abschließend sorgten sechs Musikacts für einen kraftvollen Ausklang des Abends. Neben Alex X-tra ta aus Duisburg-Hochfeld, Gürsoy Tanç, Tenor und Kruste aus Duisburg sowie der Microphone Mafia aus Köln überzeugte die Rapperin “Mino Riot” (Saarbrücken/Duisburg) mit ihrer Forderung, die Fesseln des Patriarchats zu zersprengen. Dem können wir uns nur anschließen und bedanken uns für diesen empowernden Auftritt!

Rapperin Mino Riot bei ihrem Auftritt auf der Bühne.

Das “Fest der Vielen” bot zahlreiche Möglichkeiten des Zusammenkommens und der politischen Auseinandersetzung. Da bei der Planung des Fests eine Kinderbetreuung berücksichtigt wurde, konnte es tatsächlich zu einem Fest für Viele werden. Oft genug werden Kinder sowie Menschen mit Kindern in politischen Diskursen nicht mitgedacht und ausgeschlossen. Die Möglichkeit eine Kinderbetreuung nutzen zu können, schafft Teilnahmemöglichkeiten und betont, dass eine Beteiligung am politischen Diskurs (natürlich) auch mit Kindern möglich ist. Wir fordern bei zukünftigen politischen Veranstaltungen die Berücksichtigung von Kinderbetreuungen! Dies signalisiert, dass Kinder keinesfalls als störend empfunden werden und willkommen sind. Gleichzeitig ermöglicht es den Erziehenden, sich barrierearmer an politischen Veranstaltungen zu beteiligen.

Pavillion der Kinderbetreuung.

Da das Private bekanntlich politisch ist, freuen wir uns an dieser Stelle sehr, dass die von uns organisierte Kinderbetreuung nicht allein an weiblich sozialisierten Genossinnen hängen blieb und zum großen Teil von männlich sozialisierten Gruppenmitgliedern übernommen wurde. Ausgerüstet mit Trampolin, Seifenblasen und Fußbällen wurde (nicht nur) den Kindern einiges geboten. Kreativ entfalten konnten sie sich mit Blatt und Stift oder mit Sprühdosen an einer temporären Graffiti-Wand aus Klarsichtfolie. Wir fordern: Gerechte Aufteilung von Care- und Sorgearbeit!

Graffiti: First Aid