Review: Fest der Vielen

Am Samstag, den 28. August 2021, fand in Duisburg Hochfeld das trotz schlechter Wetterprognosen gut besuchte “Fest der Vielen” statt.

Umsonst und draußen wurde den zahlreichen Besucher:innen im Rheinpark einiges geboten. Neben einem Podiumsgespräch, einem Poetry Slam und verschiedenen musikalischen Acts gab es die Möglichkeit, sich vor Ort gegen Spende tätowieren zu lassen, köstlich zu essen, zu trinken und verschiedene Initiativen und Organisationen an ihren Infoständen kennenzulernen.

Plakate der Initiative Amed Ahmad und des Fests der Vielen.

Das “Fest der Vielen” fand unter dem Motto “Antirassistische Kämpfe verbinden” statt. Es wurde genutzt um zusammenzukommen und gemeinsam an den 37. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags vom 26.08.1984 in Duisburg-Wanheimerort zu gedenken und erinnern. Sieben Duisburger:innen wurden hier ermordet. Döndü Satır – 40 Jahre, Zeliha Turhan – 18 Jahre, Rasim Turhan – 18 Jahre, Songül Satır – 4 Jahre, Ümit Satır – 5 Jahre, Çiğdem Satır – 7 Jahre, Tarık Turhan – 50 Tage. Schon zwei Tage vor dem Fest, am 26. August 2021, fand ein stilles Gedenken vor dem Haus der Angehörigen statt.

Transparente der Initiative Duisburg 26. August 1984.

Auch wir fordern: Kein Vergeben – Kein Vergessen! Rassismus muss von öffentlicher Seite aus endlich als Motiv anerkannt werden! Der rassistische Brandanschlag muss vollends aufgeklärt werden!

Auch das Podiumsgespräch fand unter dem Motto “Erinnern, Kämpfen, Aufklären. Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Gespräch – aus Duisburg, Köln, Kleve, Halle und Hanau” statt. Die Moderator:innen Kutlu Yurtseven und Bengü Kocatürk-Schuster sprachen gemeinsam mit Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt über selbstorganisierte Initiativen, Solidarität, vielstimmige Erinnerung und betroffenenorientierte Gedenkkulturen. Auf dem Podium saßen Überlebende des Brandanschlags 1984 in Duisburg, Malek Ahmad, der Vater des in der JVA Kleve gestorbenen Amed Ahmads, Talya Feldmann, Überlebende des antisemitischen, rassistischen und antifeministischen Anschlags in Halle, Çetin Gültekin, Bruder des in Hanau ermordeten Gökhan Gültekin und Mitat Özdemir, ehemaliger Vorsitzender der Interessensgemeinschaft Keupstraße.

Im Anschluss performten die Künstler:innen und Poetry-Slammer:innen Abdul Kader Chahin und Lisa Brück unter anderem ihren gemeinsamen Text “Anklage – in memoriam Oury Jalloh”: “[…] diesen Mördern das Feld nicht überlassen. Wir sind es Oury schuldig. Dieser Mord muss aufgeklärt werden. Es muss Gerechtigkeit walten. Die Politik und Justiz müssen ihren Amtseid halten. Unsere Demokratie ist nichts wert wenn sie die Täter:innen auf freiem Fuß lassen. Ihr seid nicht unschuldig und euer Schweigen kann euch nicht frei machen. Was geht euch durch den Kopf, wenn ihr euch klar macht, wie weit Rassismus gehen kann. […] Was geht euch durch den Kopf, wenn der Faschismus getarnt als Einzelfall keine gerechte Konsequenz bekommt. Es liegt in unserer Hand, ob Oury umsonst gestorben ist. Nichts macht es wieder gut, aber wenn sein Tod die Wurzel des Elends endlich raus reißt, rettet das wenigstens andere Menschenleben. Das wenigste wäre auch Gerechtigkeit für die Zukunft, aber am meisten für Oury. Das geht auch nicht nur durch den Kopf, sondern vor allem mit Herz.”

Festivalgelände im Dunkeln mit leuchtenden Ständen.

Abschließend sorgten sechs Musikacts für einen kraftvollen Ausklang des Abends. Neben Alex X-tra ta aus Duisburg-Hochfeld, Gürsoy Tanç, Tenor und Kruste aus Duisburg sowie der Microphone Mafia aus Köln überzeugte die Rapperin “Mino Riot” (Saarbrücken/Duisburg) mit ihrer Forderung, die Fesseln des Patriarchats zu zersprengen. Dem können wir uns nur anschließen und bedanken uns für diesen empowernden Auftritt!

Rapperin Mino Riot bei ihrem Auftritt auf der Bühne.

Das “Fest der Vielen” bot zahlreiche Möglichkeiten des Zusammenkommens und der politischen Auseinandersetzung. Da bei der Planung des Fests eine Kinderbetreuung berücksichtigt wurde, konnte es tatsächlich zu einem Fest für Viele werden. Oft genug werden Kinder sowie Menschen mit Kindern in politischen Diskursen nicht mitgedacht und ausgeschlossen. Die Möglichkeit eine Kinderbetreuung nutzen zu können, schafft Teilnahmemöglichkeiten und betont, dass eine Beteiligung am politischen Diskurs (natürlich) auch mit Kindern möglich ist. Wir fordern bei zukünftigen politischen Veranstaltungen die Berücksichtigung von Kinderbetreuungen! Dies signalisiert, dass Kinder keinesfalls als störend empfunden werden und willkommen sind. Gleichzeitig ermöglicht es den Erziehenden, sich barrierearmer an politischen Veranstaltungen zu beteiligen.

Pavillion der Kinderbetreuung.

Da das Private bekanntlich politisch ist, freuen wir uns an dieser Stelle sehr, dass die von uns organisierte Kinderbetreuung nicht allein an weiblich sozialisierten Genossinnen hängen blieb und zum großen Teil von männlich sozialisierten Gruppenmitgliedern übernommen wurde. Ausgerüstet mit Trampolin, Seifenblasen und Fußbällen wurde (nicht nur) den Kindern einiges geboten. Kreativ entfalten konnten sie sich mit Blatt und Stift oder mit Sprühdosen an einer temporären Graffiti-Wand aus Klarsichtfolie. Wir fordern: Gerechte Aufteilung von Care- und Sorgearbeit!

Graffiti: First Aid