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Nazis planen am 25.06.22 ein Konzert in Moers

Am 25.06. wird wieder eine Veranstaltung in der Moerser Nazi-Kneipe “Lockdown” stattfinden. Hierzu haben wir einige Hintergrundinformationen gesammelt.

    
Vermutlich wird dort bei einem “Balladenabend” Philipp Tschentscher auftreten, der Aufgrund seiner Aktivitäten im Umfeld der östereichischen Nazibande “Objekt 21” bereits eine Haftstrafe wegen NS-Wiederbetätigung und Verstoß gegen das Waffengesetz hinter sich hat. Bei seiner Verurteilung gab er sich zwar noch kleinlaut und kündigte an, ein unpolitisches Leben führen zu wollen, doch bereits kurz nach der Entlassung begann er wieder auf Nazi-Veranstaltungen aufzutreten.
 
Im “Lockdown” kann er zu dieser Geschichte sicherlich ein paar Worte mit dem ehemaligen Besitzer der Kneipe Kevin Giuliani wechseln, welcher ebenfalls nach einer Haftstrafe den Aussteiger mimte, aber nach kurzer Zeit wieder rechte Aktivitäten aufnahm. Aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz gilt Giuliani seitdem in Teilen der Szene als Verräter. Mit der sogenannten “Volksgemeinschaft Niederrhein” hat er mittlerweile wieder in Kamp-Lintfort einige Anhänger um sich gescharrt. Vor ein paar Monaten übernahm er das ehemalige “Insider” in der Bankstr. 4, gleich neben dem Ladenlokal der Umzugsfirma, die er mit seiner Frau Lisa betreibt. Unter dem Namen “Lockdown” eröffnete er die Kneipe neu. Aus der Kneipe heraus kam es bereits in der Vergangenheit zu Übergriffen durch betrunkene Nazis.
 
Doch wie bei vielen seiner Projekte dauerte es nicht lange bis Kevin die Puste ausging, mittlerweile wurde die Kneipe von Jasmin Weise aus Tönisvorst übernommen. Weise bewegt sich im Umfeld der Partei “Die Rechte” und nahm zum Beispiel an den verschwörungsideologischen Protesten gegen die Pandemie-Maßnahmen teil. Diese wurden von der rechten Szene gruppenübergreifend besucht, vom Umfeld der Partei “Die Rechte” über die “Volksgemeinschaft Niederrhein” bis hin zu vorgeblich linken Querfrontgruppen.
Im Dezember 2020 war Weise in Duisburg auch an einem organisierten Angriff auf einen antifaschistischen Anreisetreffpunkt beteiligt.
 
An der Organisation des Konzerts beteiligt ist auch Bettina Henger aus Oberhausen. Sie übernahm den Vorverkauf der Tickets über ihre persönliche E-Mail Adresse, nahm die entsprechenden Zahlungen über ihr Sparkassen-Konto entgegen und vermittelte  Übernachtungsmöglichkeiten.
 
Zum einen wollen wir mit diesem Text natürlich vor der konkreten Gefahr warnen, welche von den Besucher*innen des Konzerts ausgeht. Personen, die sich an diesem Tag im Umkreis des Moerser Bahnhofs bewegen, sollten wachsam bleiben, und auch in den entsprechenden Bus- und Bahnlinien besteht höheres Risiko auf Faschos zu treffen. Zum anderen wollen wir aber auch darauf aufmerksam machen, dass Konzerte wie dieses als Vernetzungs- und Rekrutierungsinstrument für die Szene dienen. Wir können bereits am Kreis der Organisator*innen erkennen, dass die unterkühlte Stimmung zwischen der Partei “die Rechte” und der “Volksgemeinschaft Niederrhein” mittlerweile deutlich aufgewärmt zu sein scheint. Unter den Besucher*innen der Kneipe lassen sich auch Personen aus weiteren rechten Zusammenhängen wie Pegida NRW identifizieren. Mit Veranstaltungen wie der am 25.06.22 sollen wohl auch überregional Kontakte geknüpft werden. Das lässt zumindest das freundliche Angebot von Übernachtungsmöglichkeiten vermuten.
 
Am gewählten Veranstaltungsort sehen wir außerdem wie so oft, das Nazis gern auf das Umland größerer Städte ausweichen, da sie sich erhoffen dort weniger Gegenwind zu bekommen. Wir sollten ihnen weder diesen Raum, noch die durch die konspirative Organisation der Veranstaltung erhoffte Sicherheit und Privatsphäre zugestehen. In Moers konnten linke und zivilgesellschaftliche Gruppen immer wieder zeigen, das sich Nazis auch dort keine Ruhe erwarten können. Es bleibt zu hoffen, dass auch das “Lockdown” schon bald zu der langen Liste gescheiterter rechter Projekte in der Region gezählt werden kann und die Nazis sich wieder zuhause besaufen müssen.
 
Rechte Konzerte verhindern, Nazikneipen dicht machen!

Ein paar antifaschistische Gedanken zu Verschwörungserzählungen

[CN: Rassismus, Antisemitismus, Gewalt-Schilderungen v.a. in den Screenshots]

 
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 ist ein massiver Anstieg an Verschwörungserzählungen zu verzeichnen. Erscheinen einige dieser Mythen auf den ersten Blick vielleicht noch plausibel, so erweisen sich die meisten spätestens auf den zweiten Blick als komplett abstrus. Sie schwirren durch Social Media Kanäle, werden in Telegram-Gruppen geteilt und auf Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen weitererzählt. Über diese oft als “Spaziergänge” verharmlosten Aufmärsche wurde schon viel debattiert, geschrieben und veröffentlicht, so etwa die Broschüre “Mobilisierbare Deutsche” von den Genoss*innen aus Münster,  aber auch Texte von uns. In unserem letzten Text haben wir z.B. die Verstrickungen der Duisburger Proteste in die extreme Rechte Szene hervorgehoben. Nun wollen wir darauf eingehen, warum die verschwörungsgläubigen Gruppen und Milieus, die dort entstanden sind, auch dann gefährlich sind, wenn militante und organisierte Neonazis fernbleiben. 
 
Spoiler: wir sind der Meinung, dass die Verbreitung von verschwörungsidologischer Propaganda eingedämmt werden muss. Dies ist sowohl durch antifaschistische Aufklärung möglicher “Zielgruppen” und “Einsteiger*innen” ins verschwörungsgläubige Milieu möglich, als auch durch direkte Aktionen gegen Verbreitungskanäle und -akteur*innen. Wir können z.B. politischen Druck aufbauen, damit Verschwörungsideolog*innen nicht auf Podien, in Talkshows, auf Social Media oder in anderen Medien eine Plattform geboten bekommen, um ihre Inhalte zu verbreiten. 
 
Wie die verschwörungsideologische Szene sich selbst bekämpft: Die “2-Komponenten-Lösung” bedeutet übrigens Chlordioxid und Salzsäure. – Screenshot vom 24.01.2022
Zunächst beschreiben wir, welche Zwecke Verschwörungserzählungen erfüllen und wie sie funktionieren (können). Weiter wollen wir die mörderische Gefahr, die aus ihnen entsteht, aufzeigen und abschließend einen kurzen Blick auf die Duisburger Verschwörungsszene werfen.
 
 
Wer Verschwörungserzählungen verbreitet – und warum.
 
Bei der Frage nach dem Zweck von Verschörungserzählungen ist es wichtig, zwischen den Interessen derjenigen zu unterscheiden, die Verschwörungserzählungen in die Welt setzen und den Interessen derjenigen, die an sie glauben. 
Bei ersteren geht es primär darum, eigene Machtinteressen zu befördern – oder schlichtweg um Geld (nicht zufällig bettelt so ziemlich jeder verschwörungsideologische Kanal um “Spenden” oder “Schenkungen). Auch  Neonazis verbreiten gezielt Verschwörungserzählungen, etwa vom sogenannten “großen Austausch”, bzw. etwas ordinärer, von der “Umvolkung”.
 
Rassismus pur als Verschwörungserzählung – Screenshot vom 26.01.2022
 
Hier zeigt sich, dass faschistische Ideologie selbst zentral durch Verschwörungserzählungen funktioniert und verbreitet wird. Sie dienen der klaren “Feindbestimmung“, einem zentralen Merkmal von Faschismus sowie von Verschwörungserzählungen. Im erwähnten Verschwörungsmärchen der “Umvolkung” z.B. wird behauptet, dass Fluchtbewegungen durch (jüdische) Eliten gesteuert würden, um die weiße und christliche deutsche Bevölkerung durch “fremde” Bevölkerungsgruppen zu ersetzen und somit auszutauschen. So werden Menschen, die aufgrund von Not, Hunger, Krieg, politischer Verfolgung und/oder Klimakatastrophen ihre Heimat verlassen müssen, zu “Migrationswaffen stilisiert, die es mit allen Mitteln abzuwehren gilt. Selbst die Geburt nicht-weißer Kinder wird so zur Bedrohung erklärt und der “Volkstod” wird am Horizont erahnt.
 
Das ist alles Codierung!!1! – Screenshot vom 9.4. 2022
Diese rassistische, absurde und unrealistische Vorstellung forderte schon zahlreiche Opfer. So glaubten beispielsweise die Attentäter in Utøya, Christchurch und Halle an den “großen Austausch” und begründeten mitunter durch diesen ihre mörderischen und rassistischen Terrorattentate.
Hier zeigt sich eine weitere Funktion von Verschwörungserzählungen: die Mobilisierung der Anhänger*innen zu konkreten Taten. Die Verschwörungserzählung von einer “Umvolkung” oder dem „Großen Austausch“ ist leider immer wieder Ausgangspunkt für gewalttätige Übergriffe auf als “fremd” gelesene/markierte Menschen im Alltag. Ein anderes Beispiel: Die Verschwörungserzählung der “Lügenpresse” zieht immer wieder Angriffe auf Pressevertreter*innen und Journalist*innen nach sich. Diese mobilisierende Kraft und politische Macht, die sich dadurch entfalten kann, darf nicht unterschätzt werden. Manche Verschwörungserzählungen halten sich sogar jahrhundertelang, auch wenn sie keinen Funken Wahrheit enthalten. Ein weiteres Beispiel: Seit dem 11. Jahrundert hält sich die Behauptung, Jüd_innen würden für religiöse Rituale christliche Kinder ermorden. Das ist und war immer falsch. Trotzdem entzündeten sich an dem bloßen Verdacht immer wieder Pogrome. Hier zeigt sich: solche Beschuldigungen sind nicht nur gefährlich, sondern regelrecht mörderisch. Gewalt wird durch diese Verschwörungserzählungen nicht nur legitimiert, sondern geradezu eingefordert. (Beispiele aus der Duisburger Gruppe, bis hin zur Ankündigung terroristischer Aktionen, haben wir zum Beispiel als Thread auf Twitter veröffentlicht.)
 
Uralte antisemitische Lügenmärchen von Ritualmorden und Satanismus – Screenshot vom 7.3.2022
Heutzutage erlebt die oben angesprochene antisemitische Erzählung in codierter Form einen massiven Aufschwung in der “QAnon”-Bewegung. Dies geschieht unter dem Schlagwort “Adrenochrom”. Auch der brutale Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wird über diese und ähnliche Verschwörungserzählungen legitimiert. Nicht nur hier zeigt sich, dass Antisemitismus in den meisten Verschwörungserzählungen mit angelegt ist. 
 
“Guten Abend in die Runde – habt ihr schon von den ausgeweideten Kindern gehört?” – Screenshot vom 7.3.2022
 
Neben der Feindbestimmung spielt auch die Zerstörung der bestehenden bürgerlichen Demokratie eine zentrale Rolle. Eine Demokratie ist auf bestimmte Dinge angewiesen: ein gewisses Maß an gemeinsamer Öffentlichkeit, einen minimalen gesellschaftlichen Konsens über Fakten und Wissen sowie auf die politische Teilhabe der Bürger*innen. Das Vertrauen in Politik, Wissenschaft und Medien, und damit in die Demokratie, wird durch Verschwörungserzählungen gezielt zerstört. Dies treibt eine Polarisierung der Gesellschaft voran. Und nicht nur die Debattenkultur wird zerstört, das Verhältnis zur “Wahrheit” selbst wird verändert: Als wahr wird angenommen, was zum Weltbild des eigenen Lagers passt. Als unwahr wird dagegen alles angenommen, was dem feindlich gegenüberstehendem Lager zugerechnet wird und ihm traut man gleichzeitig alles Böse zu.
 
“Ist doch als Fake enttarnt worden. Zuzutrauen wäre es ihm aber dennoch…” – Screenshot vom 3.3.2022
Wahrheit wird dabei kaum mehr mit Fakten gekoppelt, sondern vielmehr mit der eigenen Gruppenzugehörigkeit. In diesem Klima formt sich die Verschwörungsideologie weiter aus, welche wiederum die Polarisierung der Welt, das heißt ihre konkrete Einteilung in “Gut und Böse”, fordert und fördert. Die bösen vermeintlichen Verschwörer*innen des feindlichen Lagers (“Eliten”, Politiker*innen, “die Presse”, “die Pharmalobby” etc.) stehen dann dem guten “Volk” gegenüber. 
 
 
 
Wer an Verschwörungserzählungen glaubt – und warum
 
Kommen wir nun zum Zweck von Verschwörungserzählungen für diejenigen, die an sie glauben. Bei ihnen geht es insbesondere darum, Kontrolle zuerlangen, vor allem in Zeiten besonderer Unsicherheiten – beispielsweise dem Ausbruch einer Pandemie. Verschwörungserzählungen bieten ihnen einfache Wahrheiten in einer komplizierten Welt und geben dadurch Halt. Auch das selbsterhöhende Gefühl, zu einem Kreis der Eingeweihten zu gehören, spielt hier eine Rolle: Menschen, die sich sozial isoliert fühlen, glauben nachweislich eher an Verschwörungserzählungen. Sie finden im verschwörungsideologischen Denken einerseits eine Erklärungen für ihre Isolation und andererseits eine Gemeinschaft im dort voherrschenden simplen Freund-Feind-Schemata.
 
“Man fühlt sich so hilflos. Man möchte helfen . Aber wie ? Die Leute sind nicht mehr erreichbar ( wie Zombies )” – Screenshots vom 7.3.2022
 
Aber wie genau funktionieren Verschwörungserzählungen? Die meisten Verschwörungserzählungen folgen bei allem komplizierten Überbau einem sehr einfachen Plot: 
 
  1. Es gibt eine feindliche Gruppe (SIE), die UNS Böses will. SIE verfolgen ihre Pläne heimlich.  

  1. SIE stecken hinter verschiedenen unaufgeklärten Verbrechen, Katastrophen oder Missgeschicken, die UNS angeblich zugestoßen sind.  
  1. Damit wollen SIE UNS unterdrücken, versklaven oder vernichten, oder unsere höchsten und heiligsten Ziele sabotieren. 
  1. Aus den Punkten zwei und drei lässt sich eine komplettes Bild IHRES Handelns erschließen.
  1. Es wird Zeit, dass WIR uns mit allen Mitteln zu Wehr setzen.

(Quelle: https://scilogs.spektrum.de/)
 
Im letzten Punkt zeigt sich eine der Gefahren, die aus dieser Art zu Denken entstehen.So erzeugen Verschwörungsmythen eine politische Endzeiterwartung und eine Stimmung des “Jetzt oder nie”. Dies wirkt nicht zuletzt mobilisierend und legitimiert so gut wie jedes eingesetze Mittel. 
 
Dass Verschwörungserzählungen immer mit Vernichtungsfantasien einhergehen, scheint im deutschen Kollektivbewusstsein noch nicht angekommen zu sein.
Denn die Gewaltausübung ist, wie oben schon anskizziert, die logische Konsequenz von Verschwörungsideologien. Die Bedrohungen, um die es in der Verschwörung geht, werden immer bedrohlicher und wachsen stetig in ihrem imaginierten Einfluss. Das verschwörungsideologische Denken lässt keine anderen Erklärungen und Denkweisen als diese zu, die in dem verschwörungsideologischen Millieu vorhanden sind. Es entsteht eine Spirale, die das Denken radikalisiert. Irgendwann wird die Bedrohung als so real imaginiert, dass jedes Mittel recht wird, um gegen das ultimative Böse vorzugehen. Die Gegner*innen, also die nicht Verschwörungsgläubigen, werden dämonisiert. Auch dies legitimiert den Einsatz von Gewalt. Die Außenwelt hat sich im Denken der Verschwörungsgläunigen gegen sie verschworen und demnach gilt es diese Außenwelt zu vernichten.
 
 
Blick auf Duisburg
 
Wenn wir nun auf die Szene hier in Duisburg blicken, sehen wir zwar eine stark geschrumpfte Gruppe von Verschwörungsgläubigen auf den Straßen – aber eine radikalisierte und eingeschworene Gemeinschaft.
 
“Fühlt euch alle beklatscht und wert geschätzt!” – Screenshot vom 25.01.2022
Diese zeigt sich unter anderem im Netz und ist inzwischen in ihrer Gesamtheit als extrem rechts und teilweise gewaltbereit einzustufen. Vernetzungen nach Oberhausen, Essen, Krefeld, Düsseldorf und in andere Städte sind etabliert und die Radikalisierung in den Gruppen verlief teilweise erschreckend schnell. Die dort etablierten Verschwörungserzählungen und -ideologien sind gefährlich, menschenfeindlich und antisemitisch. Und das unabhängig von den bekannten Neonazis, Faschist*innen und Rassist*innen, die sich nichtsdestotrotz immernoch gelegentlich dort blicken lassen.
 
Volksverhetzende antisemitische Äußerungen im Chat – Screenshot vom 24.02.2022
Um den politischen Umgang mit der Corona-Krise geht es inzwischen den wenigsten, wie wir vor einiger Zeit schon auf Twitter dokumentiert haben. Momentan geht es viel um den Krieg in der Ukraine: Angeblich befreie Putin die Ukraine vom “Deep State”. Oder wie ein Chatteilnehmer der Telegram Gruppe von “Duisburg vereint für die Freiheit” es freudig ausdrückt: “Putin jagt das Demokratengesindel”. Der Einmarsch in der Ukraine wird als Beginn einer “Europa-Tour” verharmlost.
 
“Ist doch nett diese Europa-Tour” – Screenshot vom 1.3.2022
 
Immer mehr geben inzwischen auch offen zu, was viele Beobachter*innen längst wussten: es ging ihnen von Anfang an “ums große Ganze”, gegen die “NWO” (eine antisemitische Verschwörungserzählung) und gegen die pluralistische Gesellschaft  als Ganzes. Darüber hinaus werden auch neue Themen gesucht, um den Bewegungsmoment aufrecht zu halten. Was sich dort herausgebildet hat und sich weiter formiert, unterscheidet sich kaum noch von “Pegida NRW”. 
 
 
Angesichts dieser Entwicklung ist es frustrierend und erschreckend, wie wenig Widerspruch es aus der Duisburger Zivilgesellschaft gab und leider immer noch gibt. 
Diese müsste sich zu einer Gesellschaft der Vielen bekennen und dem verbreiteten Rassismus, Antisemitismus und der Wissenschafts- und Demokratiefeindlichkeit eine Absage erteilen. Aber leider müssen wir anscheinend, wie so oft, alles selber machen. Doch auch die radikale Linke tut sich teilweise schwer, klar Stellung zu beziehen. Sei es, weil teilweise selbst antisemitische und verschwörungsgläubige Denkmuster geteilt werden, sei es weil wenig Interesse daran besteht, eine “bürgerliche Demokratie” zu verteidigen.
 
Doch wir müssen uns klar machen, dass es bei den Kampf gegen Verschwörungserzählungen nicht um das Bewahren eines Status Quo geht. Verschwörungsideologie steht einer befreiten Gesellschaft und unseren Utopien von Solidarität und Emanzipation nicht nur im Weg, sondern diametral entgegen. Als Antifaschist*innen und emanzipatorische Linke sehen wir uns deshalb mit einer doppelten Aufgabe konfrontiert: Wir müssen die menschenfeindliche Ideologie bekämpfen sowie das menschenfeindliche System, in dem sie ihren Ursprung hat. Unser antifaschistischer Abwehrkampf gegen Corona-Leugner*innen und Impfverweiger*innen muss Teil des Kampfes um eine solidarische, antiautoritäre und egalitäre Perspektive sein. Packen wir es an!
 
Antifa bleibt Recherche – und Handarbeit!
 
 
 
 

Extrem rechte Einflüsse bei Corona-Protesten in Duisburg

Die wöchentlichen Proteste, die oft als “Spaziergänge” verharmlost werden, ziehen seit Wochen montags durch die Straßen deutscher Innenstädte. Wie auch andernorts stützen sie sich auch in Duisburg stark auf extrem rechte Strukturen. Das heißt sie werden von Akteur*innen der extremen Rechten mit organisiert, beworben, besucht und radikalisiert. Die Mehrheit der Teilnehmenden in Duisburg gibt sich nach außen hin durchaus Mühe, einen rechtsradikalen Eindruck zu vermeiden. Jedoch sind diese “Distanzierungen” oftmals lediglich oberflächliche Kosmetik, die den antisemitischen und NS-verherrlichenden Unterbau kaschieren soll. Dass dieser nicht zu leugnen ist, werden wir im folgenden Artikel deutlich machen. 
 
 
Aufbau und Struktur der Corona-Proteste
 
Die Duisburger Montags”spaziergänge” haben seit Anfang Dezember massiv an Zulauf gewonnen. Koordiniert und beworben wurden sie zu Beginn vor allem in der Telegram-Gruppe “Wir stehen auf /DU”. Diese Gruppe gehört zu den, laut Eigenaussage, insgesamt über 170 Telegram-Gruppen, die vom Dinslakener Querdenker Stefan Brackmann administriert werden. Brackmann ist prominenter Querdenker der ersten Stunde, Parteigründer der Partei “Die Föderalen”, Anmelder einer “permanenten Demo ab 01.01.2021 in ganz Deutschland, bei sonstiger Anwendung von §20 Absatz 4 des Grundgesetzes” und sieht sich seitdem “im Widerstand”. Weiter waren im Orgateam ein gewisser “Marko” und Dennis Straub, der als Security und  Kontrolleur bei Abellio arbeitet, sich selbst gerne “Der Entsorger” nennt und die Telegram-Gruppe “Duisburg vereint für die Freiheit” und die Facebook-Seite “Gemeinsam für die Freiheit Duisburg” betreibt. Nachdem öffentlich bekannt wurde, dass besagte Facebook-Seite vorher “Duigida” hieß und Straub schon seit Jahren als rassistischer Agitator bekannt ist (Nachzulesen z.B. hier), erfolgte sein Ausschluss aus dem Orga-Team. In der Hauptgruppe “Wir stehen auf /DU” wird sich seitdem Mühe gegeben, Äußerungen von offenem Rassismus, Antisemitismus und Reichsbürger-Ideologie zu unterbinden. Die Ansichten bleiben bei den meisten in der Gruppe und im Orga-Team trotzdem weiterhin vertreten.
 
Als weitere Unterstützer*innen von Brackmann ist die Duisburger Immobilienmaklerin und Verschwörungsideologin Manuela Ceresa zu benennen, die immer wieder als Rednerin und Moderatorin fungiert. Auch Dirk Magnutzki, der mehrere Verschwörungsideologische Telegram-Kanäle betreibt, tritt immer wieder als Redner auf. Die Bundesvorsitzende der Partei “Die Föderalen”, Maren Zaidan, unterstützt v.a. durch die Administrierung der TG-Gruppe. Dort wird restriktiv moderiert, um für das bürgerliche Spektrum attraktiv zu bleiben und neue Mitglieder nicht durch “fortgeschrittene” Verschwörungserzählungen abzuschrecken. Dies ist eine taktische Erwägung und liegt nicht daran, dass man diese Ideologien ablehnen würde. So wird etwa im automatisierten Begrüßungstext der TG-Gruppe extra darauf hingewiesen, dass “spätere Möglichkeiten, wie Friedensvertrag/VV/Souveränität” nicht diskutiert werden sollen. Hier zeigt sich klares Reichsbürger*innen-Vokabular. 
Weiter zeigte sich diese Ideologie beispielsweise bei der Kundgebung am 09. Dezember 2021. Dort nennt der Organisator Stefan Brackmann die extrem rechten „Freien Sachsen“ als Vorbild und Organisator “Marko” benutzt antisemitische Codes und verbreitet haarsträubende Falschinformationen bezüglich der Covid-19 Pandemie
 
In der abgespaltenen Gruppe rund um Dennis Straub und seiner Clique lässt sich dieser Kurs noch klarer erkennen: Dort findet sich offener Rassismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus, Reichsbürger*innenideologie, Nazi-Vokabular (“Dreckige Volksverräter”) sowie eine klare Gewaltaffinität und Gewaltaufrufe. Trotz des “Ausschlusses” sind diese Leute weiterhin auf den Demos vertreten. Der “Ausschluss” fungierte primär als PR Aktion, ohne tatsächliche Konsequenzen nachzuziehen. So moderiert Straub zum Beispiel auch nach dem “Ausschluss” mit eigenem Megafon neben Brackmann die Auftaktkundgebungen und spielt während der Demonstrationen den Anheizer.
Aus dem selben Spektrum werden in mehreren Duisburger Stadtteilen unangemeldete “Spaziergänge” organisiert. Diese werden von der Polizei geduldet und scheinen gerade für Leute mit mehr Bereitschaft zu “widerständigen” Aktionen ein wichtiges Vernetzungsinstrument zu sein.
 
 
Extrem rechte Einflüsse und Stichwortgeber*innen 
 
Die unzähligen Aussagen, Links und Weiterleitungen in den Telegramgruppen wurden u.a. von den Ruhrbaronen bereits ausführlich dargelegt. Deshalb lassen wir Attila Hildman, Busfahrer Thomas Brauer, Tim Keller, AktivistMann, Lukreta, Q-Anon, Trump und all die anderen digitalen Stichwortgeber*innen mal rechts liegen und schauen uns die Demos vor Ort etwas genauer an. 
 
Auf den vermeintlich harmlosen “Spaziergängen” tummeln sich nämlich militante Neonazis, beispielsweise aus dem Umfeld von PegidaNRW und der Partei Die Rechte. Sie unterstützden die Demonstrationen und bedrohen dabei Journalist*innen und politische Gegner*innen. Schon bei der, damals noch stationären, Kundgebung am 9. Dezember waren nicht nur die bekannte Duisburger Nazi-Aktivistin Andrea Streyer anwesend. Begleitet wurde sie beispielsweise von einer weiteren Person, die schon mehrfach auf Aufmärschen der Partei “Die Rechte” gesehen wurde. Auch die Redebeiträge der Kundgebung hatten es in sich. Es kam wiederholt zu NS-Vergleichen und Holcaustrelativierungen, mit Begriffen wie “Plandemie” und “Great Reset” wurden antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen verbreitet und der “Osten” und die “Freien Sachsen” wurden als Vorbilder benannt. 
 
Auf der Demonstration am 13. Dezember verharmloste ein Redner den Holocaust, indem er beispielsweise die Impfkampagne mit den menschenverachtenden Taten des Nationalsozialisten Josef Mengele vergleicht. Auch Streyer und ihre Begleitung waren wieder anwesend. 
 
Am 20. Dezember waren der bekannte rechtspopulistische Blogger Jürgen Hans Grimm von PI-News und der langjährige Pegida-Aktivist und AfD-Kanidat für die Bezirksvertretung Hamborn bei der Kommunalwahl 2020 Markus Spank vor Ort. Außerdem wieder Andrea Streyer mit weiteren bekannten Neonazis. 
Aus dem Orgateam und Dunstkreis von Pegida-NRW nahm auch Kevin Strenzke an den Protesten teil. Am 3. Januar bedrohte dieser gemeinsam mit einem weiteren Mann Journalist*innen. Zudem war auch Markus Spank wieder vor Ort.
Aufgefallen sind weiterhin wiederholt Thomas Eckleder und Marcel Schmuck, Kandidaten der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte sowie weitere Aktivist*innen und Unterstützer*innen, wie Adrian Albrecht und einige weitere. Eckleder und Schmuck provozierten am 10. Januar den Gegenprotest, indem sie ohne Maske quer durch ihn hindurch liefen. 
 
Am 17. Januar wurde die Demonstration von Werner B. live gestreamt. Unter dem Youtube-Kanal “Germandefence24” verbreitet B. seit Jahren Livestreams extrem rechter Demonstrationen, v.a. von Pegida NRW. Auf dem Stream sind zwei Personen zu sehen, die T-Shirts mit der Aufschrift FCK NWO, eine klassische antisemitische Verschwörungstheorie, trugen. Ein Mann, der sich lange mit Werner B. unterhielt und neben ihm herlief, provozierte laut mehreren Zeug*innenaussagen den Gegenprotest mit midnestens drei Hitlergrüßen. Anwesend waren weiter erneut Andrea Streyer und Ralf Panek, der auch die Konfrontation mit der Polizei suchte und von einem Beamten weggestoßen werden musste. Vorausgegangen war, das ein Teilnehmer wegen fehlender Maske mit der Polizei aneinander geriet und anschließend in Gewahrsam genommen wurde. Während von der Orga rund um Brackmann, die oft ihr gutes Verhältnis zur Duisburger Polizei betont, versucht wurde zu deeskalieren und die Demo schnell weiterlaufen zu lassen, peitschten Straub und seine Entourage die Menge auf. 
 
 
Beteiligung der AfD 
 
Auch die AfD lässt sich bei den montaglichen Protesten blicken: So hat Sascha Lensing von der AfD Duisburg die Schwurbeldemo am 17.Januar “privat” auf seinem öffentlichen Facebook-Profil beworben. Auch ist er auf Posts von seinem Parteikameraden Andreas Laasch auf der Demo zu sehen. Dies ist gleich doppelt problematisch, da Lensing Polizist ist. Auf einem anderen Bild von Laasch sind Marcel Schmuck und weitere Mitglieder von Die Rechte zu sehen. Markus Spank scheint laut Foto als Ordner beteiligt gewesen zu sein. Zumindest hatte er eine “Ordner”Markierung aus Kreppband auf seiner Jacke. Spank war in der Vergangenheit bereits auf Fotos von AfD Flyeraktionen zu sehen. Heike Betz hat im Dezember zumindest einen Post mit Fotos von einer Coronademo in Oberhausen geteilt, sie scheint diese Aufmärsche also auch grundsätzlich zu unterstützen.
 
 
Ausblick
 
Am 17. Januar ist ein Konflikt offen ausgebrochen, der schon länger innerhalb der Orga-gruppe zu schwelen schien. Im Telegram-Chat von Straub waren nach dem Vorfall um die Ingewahrsamnahme offene Gewaltaufrufe gegen die Polizei zu lesen. So habe man beispielsweise die Polizei angreifen sollen, um den Teilnehmer zu befreien. Offensichtlich wird nun über eine militantere “Strategie” diskutiert. Brackmann hat die Montagsdemo am 24. Januar nun abgesagt – Straub und Co freuen sich und melden nun für Montag den 24.01. selbst eine Demo an. Da die umtriebigsten Hetzer in der “Wir Stehen Auf”-Gruppe gesperrt sind, haben sie sich sogar die Mühe gemacht, alle Gruppenmitlgieder privat anzuschreiben, um “ihren” Aufmarsch am kommenden Montag zu bewerben. Weiter wurde eine “Bekanntgabe” in Form eines vierseitigen PDF Dokuments in den TG-Gruppen verbreitet. Dort werden Strategien zur Aushebelung der aktuellen Coronaschutzverordnung benannt. So sollen die Teilnehmenden beispielsweise Trillerpfeifen sowie genügend Essen und Trinken mitbringen, um somit das Tragen einer Maske zu verweigern. Als technische Maßnahme wird darauf hingewiesen die Handykamera griffbereit zu haben, sobald man das Gefühl habe schikaniert zu werden. Außerdem solle man einen auf 1,5 Meter Länge geklappten Zollstock bei sich führen, um Polizist*innen auf Abstand zu halten. Es gibt noch einen weiteren “kleinen aber effektiven Plan, um […] gegen die Willkür der Behörden anzugehen.” Aus Angst vor möglicher Beobachtung der TG-Chats wird dieser jedoch nicht im Vorfeld bekannt gegeben. Die Diskussionen in den Telegram-Gruppen sind vom Ruf nach Militanz geprägt.
Trotz des offen schwelenden Konflikts wird in dem Papier Zusammenhalt propagiert. So heißt es beispielsweise: “Wir wollen geschlossen gehen und eine Einheit bilden. Das gibt erhebliche Sicherheit und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Einer für alle und alle für einen.” Es bleibt spannend, wie sich die Teilnahmezahlen entwickeln, was passiert falls die Polizei versuchen sollte die Maskenpflicht durchzusetzen und ob es sich diesmal um einen tatsächlichen Bruch zwischen den beiden Lagern handelt.
 
Warum es sich unabhängig von der Teilnahme oder Nichtteilnahme einzelner Neonazis bei den aktuellen Aufmärschen um im Kern rechte und antisemitische Mobilisierungen handelt, haben wir z.B. in unseren Redebeiträgen deutlich gemacht. Einen davon findet ihr hier.
 
Untenstehend noch ein paar Bilder – wir danken allen Menschen, die sich immer wieder in Gefahr begeben, um Naziaufmärsche und rechte Mobilmachungen zu dokumentieren!
 
 
Richtigstellung:
In einer früheren Version ist uns ein Fehler passiert. Wir haben die Mengele-Vergleiche eines Redners am 13. Dezember fälschlicherweise einem anderen Redner zugeschrieben, den wir hier auch namentlich genannt haben. Der Redner hat uns kontaktiert und auf den Fehler hingewiesen. Als Konsequenz haben wir seinen Namen aus diesem Artikel gelöscht.

Nachbericht: Pegida NRW 8. November 2021

Hier unser Nachbericht zur Kundgebung von Pegida NRW in Duisburg am 08. November 2021. Die Kundgebung fand in einem von der Polizei mit Hamburger Gittern abgesperrten Teilbereich des Bahnhofvorplatzes statt. Bis auf die ca. 50 rechten Teilnehmenden verirrte sich sonst niemand dorthin. Die meiste Zeit wurde die Kundgebung von dem antifaschistischen Gegenprotest übertönt.

Foto von Infozentrale

Die Kundgebung von Pegida NRW wurde von einem gewissen „Stefan“ als Versammlungsleiter eröffnet. Unterstützt wurde die Veranstaltung unter anderem durch René Abel, Tanja M. und Hanno Breitkopf, die durch ihre Ordner*innenbinden auffielen. Hanno “Jupp” Breitkopf sprang außerdem als “Techniker” ein, wenn Kevin Strenzke mit der Lautsprecher-Box überfordert war. Tanja M. fiel unter anderem dadurch auf, dass sie aggressiv Fotograf*innen anpöbelte. Strenzke, der vor sechs Jahren seine erste Rede bei Pegida NRW hielt, moderierte die Kundgebung, stellte die Redner vor und fungierte auch selbst als Redner – teilweise allerdings ziemlich wirr. Kevin nahm mal die Rolle eines Motivationstrainers, mal die eines “Kämpfers” für “das deutsche Volk” ein. Dies schien sein Versuch zu sein, den Streit innerhalb der Szene zu überwinden und die Rechten zu aktivieren.

Anwesend waren mehrere Personen, die auch am 9. Oktober 2021 bei Siegfried Borchardts Trauermarsch in Dortmund demonstrierten, unter ihnen der Streamer Kevin Gabbe. Weiter Richard Lange (Bruderschaft Deutschland), der mit einer Handvoll seiner “Brüder” aus Düsseldorf anreiste, und Cindy Kettelhut (früher Begleitschutz Köln).

Auch Jürgen Hans Grimm von PI-News ließ sich blicken (im Hintergrund mit grünem Parka und gestreiftem Pulli). Mittig mit schwarzer Basecap Cindy Kettelhut und vorne rechts Richard Lange

Zu Beginn der Veranstaltung behauptete Kevin Strenzke, mit einem AfD-Mann aus Kleve telefoniert zu haben, der in Kleve „Corona-Spaziergänge“ organisiere. Weiter sprach Strenzke von einem „Hick-Hack“ innerhalb der rechten Szene und dass es frustrierend sei, dass man sich schon gegenseitig die Köpfe einschlagen würde. In diesem Sinne beschwor Strenzke Eintracht, wobei er im selben Satz verkündete, dass er inzwischen auch „klare Kante“ zeige und nicht mehr mit jedem und viele auch nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten würden. Strenzke schien gar nicht erst zu versuchen, den internen Zwist zu vertuschen. Weiter bedauerte Strenzke den „überproportional“ häufigen Tod von „Patrioten” in letzter Zeit. Namentlich nannte er Manfred Horn, Udo “den Lebensgefährten von Iris Swoboda” (“Mütter gegen Gewalt”), Siegfried Borchardt und Frank Theißen. In einer Schweigeminute wollte er den Toten gedenken, leise war es währenddessen dank des Gegenprotests jedoch nicht. Gleichzeitig konnte er selbst nach dem Tod von Manfred Horn nicht von alten Zerwürfnissen und Streitigkeiten ablassen. So erwähnt Strenzke aufgewühlt, dass ihm vorgeworfen wurde 20 Euro, die für Manfred Horn bestimmt waren, unterschlagen zu haben.

Kevin Strenzke (Foto von Infozentrale)

Neben internen Streitigkeiten, die Strenzke insgesamt dann doch irgendwie überwinden möchte, will er auch den „Schuldkult“ beenden. “Die Deutschen” müssten sich von der Vergangenheit lösen und gleichzeitig “vollenden, wofür die Ahnen auf den Schlachtfeldern gefallen sind”. Denn “die Deutschen” seien etwas ganz besonderes. Zwischendurch ging es dann auf einmal um „3-G, 2-G, 1-G“ und plötzlich um Schimanski und den Tatort. Unserer Einschätzung nach konnte ihm niemand so richtig folgen.

Allerdings wurde schnell klar, dass er während seinen Reden den Holocaust relativiert und eine Geschichtsumdeutung vornimmt als er z.B. sagte: „Wir müssen uns […) von vor ’45 lösen, was nicht heißt, dass wir die Vergangenheit nicht mal richtig aufarbeiten, diese sogenannte Lügen- und Siegergeschichtsschreibung – ich hoff ich hab jetzt nix falsches gesagt, ne? Hehe… aber ihr wisst was ich meine.“ Die Bezeichnung “Lügengeschichtsschreibung” kann dahingehend interpretiert werden, dass er den Holocaust als Lüge bezeichnen möchte.

Markus Rahmsdorf brüllt sich in Rage (Foto von Infozentrale)

Der erste angekündigte Redner ist Markus Rahmsdorf, der die Bewegung „Neue Stärke“ nach NRW holen will und erst kürzlich aus Münster nach Krefeld gezogen ist. Die sogenannte “Neue Stärke” ist eine seit 2020 existierende Abspaltung der Neonazikleinstpartei “Der Dritte Weg”. Jedoch kopiert sie zum Großteil das Auftreten sowie die inhaltliche Ausrichtung vom “Dritten Weg” und hat vor allem rund um Erfurt ihren Schwerpunkt. Die “Neue Stärke” orientiert sich am historischen Nationalsozialismus und beschwört einen besonders aggressiven und kämpferischen völkischen Nationalismus. Rahmsdorf, der schon als AfD-Ordner, Corona-Leugner, Gelbweste, im Umfeld von HoGeSa und mit der wenig erfolgreichen rechten Gruppierung “Patriotic Opposition Europe” (POE) aufgefallen ist, hielt seine Rede ohne jeden roten Faden. Hauptsächlich schimpfte er gegen die „rote Pest“ und gedachte nebenbei dem verstorbenen „Birdy“. Während er erwähnte, dass seine Groß- und Urgroßeltern Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut hätten, brüllt er ins Mikrofon. Weiter machte ihn der lautstarke Gegenprotest sichtbar wütend. So brüllte er weiter, dass der Gegenprotest, fallen werde, “denn die Feinde Deutschlands fallen immer”. Als der Gegenprotest dann zu einer eigenen Demonstration aufbrach waren die Faschos deutlich irritiert. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, ihr einziges Publikum zu verlieren.

Orgateam: Tanja M., René A., Kevin Strenzke, Hanno B. (v.l.n.r.)

René Abel verbreitete in seiner Rede krude Verschwörungserzählungen und reihte sich ein in die Reihe der Reden mit eigener, verquerer Logik. Mit Äußerungen wie der, dass Corona der “größte Völkermord der Geschichte” sei relativierte er den Holocaust. Später verkündet er, dass der Islam der Nationalsozialismus sei, nur in einer extremeren Ausprägung. Seine Geschichtsauffassung wird weiter deutlich als er aufgeregt erzählte, dass der “globale Kommunismus” DAS Problem in Deutschland sei. Zudem wurde sichtbar, dass er sich durch den Gegenprotest gekränkt fühlt. So äußerte er, dass er es gemein finde, dass er Nazi genannt wird. Auch er kommt von Stöckchen auf Hölzchen, ohne einem roten Faden zu folge.

Dennoch werden die verbindenden Elemente zwischen den Redebeiträgen deutlich, so wird ein aggressiver und exkludierender (für die Faschos natürlich inkludierender) Volksbegriff verwendet. Dieses angesprochene Volk wird durch eine eigene Geschichtsauslegung, die eine Relativierung des Holocaust und der Zeit des Nationalsozialismus beinhaltet, konstruiert und immer wieder im Hier und Jetzt beschworen. Um jedoch nicht nur in der Vergangenheit zu verweilen, werden aktuelle Themen wie die Covid-19-Pandemie, als gesellschaftlich derzeit alles beherrschendes Thema, aufgegriffen. Und als Aufhänger werden immer wieder die Gegendemonstrant*innen addressiert und zum Thema gemacht. Denn diese sind eben die stetigen Begleiter*innen dieser Veranstaltungen.

Verabschiedet werden die Faschos schließlich nach ca. 3 Stunden von Stefan mit den Worten „Kommt gut nach Hause – lasst euch nicht von denen erwischen!“. Wer konkret diese “denen” ist, wird nicht weiter erläutert und lässt den Interpretationsraum offen.

Foto von Infozentrale

Zusammenfassend ist und bleibt Pegida NRW ein absolutes Trauerspiel, wir haben auch nichts anderes erwarten. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass es sich bei den Teilnehmenden zum Teil um organisierte Nazis handelt. Sie sind nicht ungefährlich, verbreiten sexistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut und schrecken auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück. Gleichzeitig können ihre öffentliche Auftritte und die ständige Wiederholung der immergleichen Parolen dazu führen, dass eine Normalisierung ihrer Gegenwart und ihrer politischen Agitation und eine gesellschaftliche Gewöhnung und Abstumpfung stattfindet. Außerdem dienen die wiederkehrenden Versammlungen als wichtige Vernetzungsplattformen, auf denen Pläne geschmiedet und politische Aktionsgruppen gefunden werden können.

Deshalb überrascht es leider nicht, dass die rechten Aktivist*innen von Pegida NRW rund um Kevin Strenzke trotz der marginalen Reichweite und mit den immergleichen Teilnehmer*innen am 12. Dezember 2021 um 15 Uhr am Hauptbahnhof erneut in Duisburg demonstrieren wollen. Auf Facebook bewerben sie ihren Aufmarsch mit gewohnt furchtbarem Grafikdesign und den Worten: “Auf gehts!!! Die Impfung schadet!!! Alle nach Duisburg am 12.12.” Unter dem Motto “Kulturerhalt! Freiheit und Solidarität durch Impfpflicht???” 

Lasst uns auch dieses “Event” der Rechten wieder zum Desaster machen! Kommt deshalb am 12.12.2021 zum Duisburger Hauptbahnhof, um Euch den Nazis in den Weg zu stellen und unsere Utopie vom schönen Leben für alle auf die Straße zu tragen. Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!