Extrem rechte Einflüsse bei Corona-Protesten in Duisburg

Die wöchentlichen Proteste, die oft als “Spaziergänge” verharmlost werden, ziehen seit Wochen montags durch die Straßen deutscher Innenstädte. Wie auch andernorts stützen sie sich auch in Duisburg stark auf extrem rechte Strukturen. Das heißt sie werden von Akteur*innen der extremen Rechten mit organisiert, beworben, besucht und radikalisiert. Die Mehrheit der Teilnehmenden in Duisburg gibt sich nach außen hin durchaus Mühe, einen rechtsradikalen Eindruck zu vermeiden. Jedoch sind diese “Distanzierungen” oftmals lediglich oberflächliche Kosmetik, die den antisemitischen und NS-verherrlichenden Unterbau kaschieren soll. Dass dieser nicht zu leugnen ist, werden wir im folgenden Artikel deutlich machen. 
 
 
Aufbau und Struktur der Corona-Proteste
 
Die Duisburger Montags”spaziergänge” haben seit Anfang Dezember massiv an Zulauf gewonnen. Koordiniert und beworben wurden sie zu Beginn vor allem in der Telegram-Gruppe “Wir stehen auf /DU”. Diese Gruppe gehört zu den, laut Eigenaussage, insgesamt über 170 Telegram-Gruppen, die vom Dinslakener Querdenker Stefan Brackmann administriert werden. Brackmann ist prominenter Querdenker der ersten Stunde, Parteigründer der Partei “Die Föderalen”, Anmelder einer “permanenten Demo ab 01.01.2021 in ganz Deutschland, bei sonstiger Anwendung von §20 Absatz 4 des Grundgesetzes” und sieht sich seitdem “im Widerstand”. Weiter waren im Orgateam ein gewisser “Marko” und Dennis Straub, der als Security und  Kontrolleur bei Abellio arbeitet, sich selbst gerne “Der Entsorger” nennt und die Telegram-Gruppe “Duisburg vereint für die Freiheit” und die Facebook-Seite “Gemeinsam für die Freiheit Duisburg” betreibt. Nachdem öffentlich bekannt wurde, dass besagte Facebook-Seite vorher “Duigida” hieß und Straub schon seit Jahren als rassistischer Agitator bekannt ist (Nachzulesen z.B. hier), erfolgte sein Ausschluss aus dem Orga-Team. In der Hauptgruppe “Wir stehen auf /DU” wird sich seitdem Mühe gegeben, Äußerungen von offenem Rassismus, Antisemitismus und Reichsbürger-Ideologie zu unterbinden. Die Ansichten bleiben bei den meisten in der Gruppe und im Orga-Team trotzdem weiterhin vertreten.
 
Als weitere Unterstützer*innen von Brackmann ist die Duisburger Immobilienmaklerin und Verschwörungsideologin Manuela Ceresa zu benennen, die immer wieder als Rednerin und Moderatorin fungiert. Auch Dirk Magnutzki, der mehrere Verschwörungsideologische Telegram-Kanäle betreibt, tritt immer wieder als Redner auf. Die Bundesvorsitzende der Partei “Die Föderalen”, Maren Zaidan, unterstützt v.a. durch die Administrierung der TG-Gruppe. Dort wird restriktiv moderiert, um für das bürgerliche Spektrum attraktiv zu bleiben und neue Mitglieder nicht durch “fortgeschrittene” Verschwörungserzählungen abzuschrecken. Dies ist eine taktische Erwägung und liegt nicht daran, dass man diese Ideologien ablehnen würde. So wird etwa im automatisierten Begrüßungstext der TG-Gruppe extra darauf hingewiesen, dass “spätere Möglichkeiten, wie Friedensvertrag/VV/Souveränität” nicht diskutiert werden sollen. Hier zeigt sich klares Reichsbürger*innen-Vokabular. 
Weiter zeigte sich diese Ideologie beispielsweise bei der Kundgebung am 09. Dezember 2021. Dort nennt der Organisator Stefan Brackmann die extrem rechten „Freien Sachsen“ als Vorbild und Organisator “Marko” benutzt antisemitische Codes und verbreitet haarsträubende Falschinformationen bezüglich der Covid-19 Pandemie
 
In der abgespaltenen Gruppe rund um Dennis Straub und seiner Clique lässt sich dieser Kurs noch klarer erkennen: Dort findet sich offener Rassismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus, Reichsbürger*innenideologie, Nazi-Vokabular (“Dreckige Volksverräter”) sowie eine klare Gewaltaffinität und Gewaltaufrufe. Trotz des “Ausschlusses” sind diese Leute weiterhin auf den Demos vertreten. Der “Ausschluss” fungierte primär als PR Aktion, ohne tatsächliche Konsequenzen nachzuziehen. So moderiert Straub zum Beispiel auch nach dem “Ausschluss” mit eigenem Megafon neben Brackmann die Auftaktkundgebungen und spielt während der Demonstrationen den Anheizer.
Aus dem selben Spektrum werden in mehreren Duisburger Stadtteilen unangemeldete “Spaziergänge” organisiert. Diese werden von der Polizei geduldet und scheinen gerade für Leute mit mehr Bereitschaft zu “widerständigen” Aktionen ein wichtiges Vernetzungsinstrument zu sein.
 
 
Extrem rechte Einflüsse und Stichwortgeber*innen 
 
Die unzähligen Aussagen, Links und Weiterleitungen in den Telegramgruppen wurden u.a. von den Ruhrbaronen bereits ausführlich dargelegt. Deshalb lassen wir Attila Hildman, Busfahrer Thomas Brauer, Tim Keller, AktivistMann, Lukreta, Q-Anon, Trump und all die anderen digitalen Stichwortgeber*innen mal rechts liegen und schauen uns die Demos vor Ort etwas genauer an. 
 
Auf den vermeintlich harmlosen “Spaziergängen” tummeln sich nämlich militante Neonazis, beispielsweise aus dem Umfeld von PegidaNRW und der Partei Die Rechte. Sie unterstützden die Demonstrationen und bedrohen dabei Journalist*innen und politische Gegner*innen. Schon bei der, damals noch stationären, Kundgebung am 9. Dezember waren nicht nur die bekannte Duisburger Nazi-Aktivistin Andrea Streyer anwesend. Begleitet wurde sie beispielsweise von einer weiteren Person, die schon mehrfach auf Aufmärschen der Partei “Die Rechte” gesehen wurde. Auch die Redebeiträge der Kundgebung hatten es in sich. Es kam wiederholt zu NS-Vergleichen und Holcaustrelativierungen, mit Begriffen wie “Plandemie” und “Great Reset” wurden antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen verbreitet und der “Osten” und die “Freien Sachsen” wurden als Vorbilder benannt. 
 
Auf der Demonstration am 13. Dezember verharmloste ein Redner den Holocaust, indem er beispielsweise die Impfkampagne mit den menschenverachtenden Taten des Nationalsozialisten Josef Mengele vergleicht. Auch Streyer und ihre Begleitung waren wieder anwesend. 
 
Am 20. Dezember waren der bekannte rechtspopulistische Blogger Jürgen Hans Grimm von PI-News und der langjährige Pegida-Aktivist und AfD-Kanidat für die Bezirksvertretung Hamborn bei der Kommunalwahl 2020 Markus Spank vor Ort. Außerdem wieder Andrea Streyer mit weiteren bekannten Neonazis. 
Aus dem Orgateam und Dunstkreis von Pegida-NRW nahm auch Kevin Strenzke an den Protesten teil. Am 3. Januar bedrohte dieser gemeinsam mit einem weiteren Mann Journalist*innen. Zudem war auch Markus Spank wieder vor Ort.
Aufgefallen sind weiterhin wiederholt Thomas Eckleder und Marcel Schmuck, Kandidaten der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte sowie weitere Aktivist*innen und Unterstützer*innen, wie Adrian Albrecht und einige weitere. Eckleder und Schmuck provozierten am 10. Januar den Gegenprotest, indem sie ohne Maske quer durch ihn hindurch liefen. 
 
Am 17. Januar wurde die Demonstration von Werner B. live gestreamt. Unter dem Youtube-Kanal “Germandefence24” verbreitet B. seit Jahren Livestreams extrem rechter Demonstrationen, v.a. von Pegida NRW. Auf dem Stream sind zwei Personen zu sehen, die T-Shirts mit der Aufschrift FCK NWO, eine klassische antisemitische Verschwörungstheorie, trugen. Ein Mann, der sich lange mit Werner B. unterhielt und neben ihm herlief, provozierte laut mehreren Zeug*innenaussagen den Gegenprotest mit midnestens drei Hitlergrüßen. Anwesend waren weiter erneut Andrea Streyer und Ralf Panek, der auch die Konfrontation mit der Polizei suchte und von einem Beamten weggestoßen werden musste. Vorausgegangen war, das ein Teilnehmer wegen fehlender Maske mit der Polizei aneinander geriet und anschließend in Gewahrsam genommen wurde. Während von der Orga rund um Brackmann, die oft ihr gutes Verhältnis zur Duisburger Polizei betont, versucht wurde zu deeskalieren und die Demo schnell weiterlaufen zu lassen, peitschten Straub und seine Entourage die Menge auf. 
 
 
Beteiligung der AfD 
 
Auch die AfD lässt sich bei den montaglichen Protesten blicken: So hat Sascha Lensing von der AfD Duisburg die Schwurbeldemo am 17.Januar “privat” auf seinem öffentlichen Facebook-Profil beworben. Auch ist er auf Posts von seinem Parteikameraden Andreas Laasch auf der Demo zu sehen. Dies ist gleich doppelt problematisch, da Lensing Polizist ist. Auf einem anderen Bild von Laasch sind Marcel Schmuck und weitere Mitglieder von Die Rechte zu sehen. Markus Spank scheint laut Foto als Ordner beteiligt gewesen zu sein. Zumindest hatte er eine “Ordner”Markierung aus Kreppband auf seiner Jacke. Spank war in der Vergangenheit bereits auf Fotos von AfD Flyeraktionen zu sehen. Heike Betz hat im Dezember zumindest einen Post mit Fotos von einer Coronademo in Oberhausen geteilt, sie scheint diese Aufmärsche also auch grundsätzlich zu unterstützen.
 
 
Ausblick
 
Am 17. Januar ist ein Konflikt offen ausgebrochen, der schon länger innerhalb der Orga-gruppe zu schwelen schien. Im Telegram-Chat von Straub waren nach dem Vorfall um die Ingewahrsamnahme offene Gewaltaufrufe gegen die Polizei zu lesen. So habe man beispielsweise die Polizei angreifen sollen, um den Teilnehmer zu befreien. Offensichtlich wird nun über eine militantere “Strategie” diskutiert. Brackmann hat die Montagsdemo am 24. Januar nun abgesagt – Straub und Co freuen sich und melden nun für Montag den 24.01. selbst eine Demo an. Da die umtriebigsten Hetzer in der “Wir Stehen Auf”-Gruppe gesperrt sind, haben sie sich sogar die Mühe gemacht, alle Gruppenmitlgieder privat anzuschreiben, um “ihren” Aufmarsch am kommenden Montag zu bewerben. Weiter wurde eine “Bekanntgabe” in Form eines vierseitigen PDF Dokuments in den TG-Gruppen verbreitet. Dort werden Strategien zur Aushebelung der aktuellen Coronaschutzverordnung benannt. So sollen die Teilnehmenden beispielsweise Trillerpfeifen sowie genügend Essen und Trinken mitbringen, um somit das Tragen einer Maske zu verweigern. Als technische Maßnahme wird darauf hingewiesen die Handykamera griffbereit zu haben, sobald man das Gefühl habe schikaniert zu werden. Außerdem solle man einen auf 1,5 Meter Länge geklappten Zollstock bei sich führen, um Polizist*innen auf Abstand zu halten. Es gibt noch einen weiteren “kleinen aber effektiven Plan, um […] gegen die Willkür der Behörden anzugehen.” Aus Angst vor möglicher Beobachtung der TG-Chats wird dieser jedoch nicht im Vorfeld bekannt gegeben. Die Diskussionen in den Telegram-Gruppen sind vom Ruf nach Militanz geprägt.
Trotz des offen schwelenden Konflikts wird in dem Papier Zusammenhalt propagiert. So heißt es beispielsweise: “Wir wollen geschlossen gehen und eine Einheit bilden. Das gibt erhebliche Sicherheit und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Einer für alle und alle für einen.” Es bleibt spannend, wie sich die Teilnahmezahlen entwickeln, was passiert falls die Polizei versuchen sollte die Maskenpflicht durchzusetzen und ob es sich diesmal um einen tatsächlichen Bruch zwischen den beiden Lagern handelt.
 
Warum es sich unabhängig von der Teilnahme oder Nichtteilnahme einzelner Neonazis bei den aktuellen Aufmärschen um im Kern rechte und antisemitische Mobilisierungen handelt, haben wir z.B. in unseren Redebeiträgen deutlich gemacht. Einen davon findet ihr hier.
 
Untenstehend noch ein paar Bilder – wir danken allen Menschen, die sich immer wieder in Gefahr begeben, um Naziaufmärsche und rechte Mobilmachungen zu dokumentieren!
 
 
Richtigstellung:
In einer früheren Version ist uns ein Fehler passiert. Wir haben die Mengele-Vergleiche eines Redners am 13. Dezember fälschlicherweise einem anderen Redner zugeschrieben, den wir hier auch namentlich genannt haben. Der Redner hat uns kontaktiert und auf den Fehler hingewiesen. Als Konsequenz haben wir seinen Namen aus diesem Artikel gelöscht.